100 Jahre in Bremen
: Altstadt, Neustadt, Karstadt

Seit 1902 geshoppt, jetzt getoppt

Erdnuss-Sößchen, Ingwerraspeln, Cashewkerne, Bambussprossen, Antipasti – das funkelnagelneue „Le Buffet“ im niegelnagelneuen Karstadt hat jedwedes Kantinenflair verloren. Bis zu 15 Köche brutzeln vor Kundenaugen alles zwischen Schweinenacken und Butterfisch. „Von der Frische her ist das KaDeWe-Niveau“, sagt Marketing-Mann Joachim Gudden mit Blick auf das Berliner Superkaufhaus und rühmt frischgemachtes Eis, Fruchtsäfte und die Irrsinns-Kuchentheke.

Gestern war großes Feiern angesagt. Das Karstadt-Haus an der Obernstraße wurde schließlich 100 Jahre alt. Und zu diesem Anlass komplett aufgemöbelt – für 10 Millionen Euro.

Das Geburtstagskind gehöre ja zu Bremen „wie der Roland“, hatte sich Bürgermeister Henning Scherf (SPD) in der Jubiläumsbroschüre bemüht, ganz besonders nett zum Bremer Sproß des Handelsgiganten Karstadtquelle zu sein.

Und auch bei der großen Party des größten Einzelhändlers in der City lobte Scherf die Karstadt-Story als „tolle Geschichte“ – auch wenn sein Vater, Drogist in der Neustadt, „immer dachte, die nehmen uns die Kunden weg“.

Am 11. Oktober 1902 hatte Rudolph Karstadt in der Sögestraße 33 A seine 25. Filiale in Deutschland eröffnet, ein „Mode, Manufaktur-, Confections und Ausstellungsgeschäft“. Erfolgsrezept: Feste Preise, bar bezahlen. Handeln und Anschreiben hatte nämlich andere Kaufleute häufig in die Bredouille gebracht – genau wie die um die Jahrhundertwende noch üblichen zinslosen Darlehen an den Kunden. Deshalb wurden ab 1929 schon Bremer Kaufmannshäuser für den Neubau auf der Fläche des heutigen Geländes abgerissen. Bei der Einweihung 1932 war das Haus die Kaufsensation: 13.000 Quadratmeter Fläche, ein großer Lichthof im Inneren, in dem Stoffe verkauft wurden, ein eigener Friseur, eine Bäckerei und das Dachcafé.

Aus der Zeit des Nationalsozialismus erwähnt die Chronik nur das neue Sortiment – Löschsandtücher und Verdunklungsrollos – sowie das Übergangsquartier in der Glocke, von dem aus nach der Bombardierung im Jahr 1944 verkauft wurde.

Interessant ist, dass ausgerechnet Karstadt beim Wiederaufbau Vorteile gegenüber anderen Bremer Einzelhändlern hatte. Der Grund: die Firma hatte US-amerikanische Aktionäre. Erste Auswirkungen der großen Globalisierung, denn viele „ehrlichen“ deutsche Kaufleute waren entweder enteignet oder braun geworden. ksc