„Einiges an Sprengstoff“

Pädagogen in Spielhäusern, Erziehungsberatung für Familien, Drogen- und Wohnungshilfe: Das alles steht auf der Streichliste des Sozialamtes. Jetzt wird im Amt diskutiert, ob die enormen Sparvorgaben wirklich eingehalten werden können

„Risiko: Unterversorgung der Personenkreise“. Diese Warnung steht gleich mehrfach in einem aktuellen Papier aus dem Amt für Soziale Dienste. Darin stellt die Behörde von Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) dar, wie sie bis zum Jahr 2005 über 120 Stellen sparen will. Eine Streichliste – wie sie der Personalentwicklungsplan (PEP) vorschreibt.

Der Preis für die Quotenerfüllung ist hoch: Fast alle so genannten begleitenden Dienste werden geschröpft, manche sogar ganz geschlossen. Die Drogenberatung Ölmühlenstraße soll es nicht mehr geben, die Wohnungshilfe wird mit der Wohnberatung zusammengelegt und verkleinert. Der Pflegekinderdienst und die Aufsuchende Familienberatung stehen ebenso auf dem Spiel wie ein Teil der Erziehungsberatung. Ganz hart kommt es für die Spielhäuser: Hauptamtliche Pädagogen soll es dort nicht mehr geben.

„Es wird auf die Weiterführung der kommunalen Spielhäuser als eigene, mit Personal ausgestattete Einrichtungen verzichtet“, heißt es lapidar in der Vorlage, die in der letzten Sozialdeputation und am Donnerstag im Jugendhilfeausschuss „zur Kenntnis genommen“ wurde, so das Fachdeutsch. Neun Spielhäuser gibt es in Bremen noch. Allesamt in sozialen Brennpunkten. Tenever, Obervieland, Kattenturm, Grohner Düne etcetera. Dort stehen sie Kindern und Jugendlichen aus dem Stadtteil offen und werden rege genutzt. „Schulkinder, die nicht im Hort sind, kommen nachmittags zu uns“, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht nennen will. „Der Grundbetrag für den Hort ist für manche Eltern noch zu hoch – oder sie sehen einfach nicht ein, dass ihre Kinder pädagogisch betreut werden sollten.“ Aber auch in den Vormittagsstunden werden die Häuser genutzt: von Krabbelgruppen und Elternvereinen. Das hat die Amtsleitung auf die Idee gebracht, die Häuser könnten auch ehrenamtlich von diesen Initiativen betreut werden. Realistisch ist das offenbar nicht. „Die meisten Eltern in den problematischen Stadtteilen haben mit ihrer persönlichen Lebenssituation genug zu schaffen“, so ein anderer Mitarbeiter. Überhaupt komme ehrenamtliche Arbeit nur für „pflegeleichtes Klientel“ in Frage. „Für problematische und gefährdete Kinder und Jugendliche ist das unmöglich“.

Auch Politiker der bremischen Regierungsparteien zweifeln bereits am Sinn dieser Maßnahme. Frank Pietrzok, SPD-Abgeordneter mit den Schwerpunkten Jugend und Soziales: „Das sind kleine und sehr wirkungsvolle Einrichtungen – und genau die wollen wir haben“. Ob man das, was die Spielhäuser jetzt für den Stadtteil leisten, überhaupt billiger haben kann, fragt er sich bereits. Aber ein abschließendes Urteil mag sich der SPD-Mann, der die PEP-Quote im Parlament mit beschlossen hat, noch nicht erlauben. Schließlich sei das Papier aus dem Amt für Soziale Dienste nur ein Vorschlag über den jetzt verhandelt werde.

Das Problem: Irgendwo müssen die Stellen eingespart werden. Hilfsangebote sollen stark eingeschränkt werden. Dabei sind nicht alle Kürzungs-Vorschläge realistisch, wie Stellungnahmen betroffener Abteilungen zeigen. So kommentiert der Sozialdienst für Erwachsene, dass die im Bundessozialhilfegesetz vorgesehene Beratung insbesondere für Alte und Behinderte unter solchen Sparvorgaben nicht mehr stattfinden könne und damit die „Unterversorgung der Personenkreise“ zu riskieren. „Nicht zu verantwortende Risiken“ erkennt im Sparfall auch die Betreuungsbehörde. Personal könne hier nur reduziert werden, wenn die zuständigen Richter seltener auf Betreuung – früher Vormundschaft – bestehen würden. Der Einfluss des Sozialressorts darauf ist gering.

Für die Grüne Sozialpolitikerin Karoline Linnert ist die Liste ein „Katalog der Grausamkeiten“. Die begleitenden Dienste seien das „Kernstück der sozialen Hilfe“. Schließlich ginge es bei der Sozialhilfe nicht nur um Geld. Bei allem Erschrecken aber ist sie doch froh, „dass es jetzt zu einer politischen Diskussion der Sparquote kommt“. „Bis jetzt haben Ressort- und Amtsleitung so getan, als handele es sich bei den Personaleinsparungen um einen buchhalterischen oder bürokratischen Vorgang.“

Auch Personalrat Rainer Müller, der das Papier jetzt mit Amtsleiter Jürgen Hartwig und Staatsrat Arnold Knigge beraten wird, kritisiert das bisherige Vorgehen: „Die Politik bestellt, und die Verwaltung arbeitet es ab.“ Aufgabe des Amtes sei es nun, die politischen Vorgaben fachlich zu begleiten und Politiker schonungslos über die Folge ihrer Beschlüsse aufzuklären. Ein bisschen geholfen hat es schon. Der sozialpolitische Sprecher Frank Piertzok jedenfalls schätzt die Erfüllung der PEP-Quote im Sozialbereich als „schwierig“ ein. Das Papier berge „doch einiges an Sprengstoff“. Elke Heyduck