„Wir brauchen mehr Öffentlichkeit“

Statt einer Demonstration gibt es dieses Jahr eine Gala: Im Brustkrebsmonat Oktober appellieren Aktivistinnen an Prominente, endlich das Thema Brustkrebs auf die großen Bühnen in Politik, Fernsehen und Gesellschaft zu tragen

taz: Frau Butterbrod, statt mit Demonstrationen wie im letzten Jahr gehen Sie diesen Oktober mit einer Brustkrebs-Gala an die Öffentlichkeit. Warum?

Monika Butterbrod: Brustkrebs braucht ein breiteres Forum. Wir hoffen, dass die Gala prominente Leute anzieht, die durch ihre Wirkung nach außen der Brustkrebsbewegung mehr Öffentlichkeit geben.

Warum ist Brustkrebs bis heute ein Tabu?

Es ist eine Erkrankung, die den weiblichen Körper im negativen Sinne zeichnet. Besonders wenn eine Brustamputation bevorsteht. Mutterschaft, Sexualität, Partnerschaft sind tangiert. Das offen anzusprechen und zu zeigen ist hart. Hinzu kommt, dass die Erkrankung im täglichen Leben nicht sichtbar ist.

Das Tabu zu brechen ist also auch Provokation?

Ja, weil die Frauen, die ihre Wunden offen zeigen, nicht nur auf ihre Krankheit hinweisen, sondern auch auf ihre Individualität und Stärke.

Durch Ihre Kampagne wollen Sie erreichen, dass die Versorgung verbessert wird …

… so verbessert wird, dass Amputationen von Brüsten nicht mehr nötig sind. Bisher ist die Verbindung von Verletzung, verzerrtem Körperbild, Schamgefühl und Traurigkeit so einschneidend, dass es der Gesundung oft hinderlich ist. Es gibt ja bis heute genügend Frauen, die ihre Knoten ertasten, aber aus Angst, die Brust zu verlieren, nicht zum Arzt gehen.

Gala, das klingt nach Glamour und edlem Parkett. Sollen prominente Frauen Vorreiterinnen sein, um das Thema Brustkrebs endlich aus der Schmuddelecke zu holen?

Jede Frau, die öffentlich darüber spricht, ist eine Vorreiterin. Aber wir brauchen Frauen aus der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft, die sagen: Das ist unser Thema, und: Die Kampagne tragen wir weiter.

Warum gibt es diese Frauen bisher nicht? Nur Regine Hildebrandt ist offensiv mit ihrer Erkrankung umgegangen.

Je prominenter die Frauen, desto größer die Gefahr, dass man sie nur noch bedauert, ihre Leistungen nicht mehr anerkennt, sie nicht mehr fordert. Eine Frau mit Leitungsfunktion wird das gehörig zu spüren bekommen: Schafft die das überhaupt noch? Ist die nicht nur noch depressiv?

Tabu und Vorurteil sind also zwei Seiten einer Medaille?

Ja. Dagegen hat Hildebrandt gekämpft. Sie hat immer klar gemacht: Brustkrebs ist ein Teil meines Lebens, aber ich bin die Sozialministerin, und als solche möchte ich anerkannt werden.

Die Gala ist demnach ein Versuch, Politiker, Medienstars, Ärzte und Vertreter von Krankenkassen, Interessierte und die Betroffenen zu Verbündeten zu machen?

Ja, aber nicht nur. Sie werden dort auch Gäste sein.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB