Die Liebe also, aha!

Buchmessern (4): Mag die Branche auch kriseln, bei Esoterik-Verlagen gibt es Freude am Aufschwung – man muss nur das tägliche Wunder nutzen und den „Space Chair“

Wenn man in drei Worten ausdrücken wollte, welche Stimmung dieser Tage die Buchmesse beherrscht, dann so: Glaube, Liebe, Hoffnung. All diese armen Verleger, die zur Zeit kaum mehr wissen, wie sie ihre Häuser über Wasser halten sollen, aber auch die anderen, die gestressten Journalisten und Buchhändler zum Beispiel! Es hat direkt etwas Kesses, wie sie über das Weltende lamentieren und dann, kurz vor Themenwechsel, theatralisch eine Augenbraue nach oben ziehen und ihrem Untergang mutig ins Auge sehen: „Ach, was soll’s. Ich wollte ohnehin schon immer mal arbeitslos sein.“

Dabei ist es gar nicht schwer, sich auch in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse Trost und Beistand zu holen. Ein paar Gänge abseits der Rennstrecke mit den Lieblingsverlagen finden sich all die Esoterikverlage. Es sind viele, es sind sehr viele, es scheinen immer mehr zu werden und keinesfalls weniger. Die Krise kommt hier nicht an. An einem Stand hinter dem Tümmel Verlag und seiner täglichen „Power Hour“ mit Doktor Spitzbart ist es besonders schön: Hier gibt es einen so genannten Space Chair, der sowohl leer als auch besessen völlig blöd aussieht – mehr ein von der Decke hängendes Gestänge, in dem Reinhold Messner seine invaliden Mitwanderer abseilen könnte.

Kaum sitzt man drin, schon aber fühlt man sich wie in der Fruchtblase. Schaukelnd und pendelnd bewundert man das Umfeld. Alles ist super von hier aus, wenn man nur im Space Chair sitzt. Da ist die Edition Innenwelt. Sie hat bunte Feng-Shui-Kalender im Angebot. Dort drüben soll man über die Botschaft des Wassers nachdenken und das tägliche Wunder nutzen. Hätte man ja auch schon früher drauf kommen können. Da hinten wird man sich später ein Buch über Lebensfreude und Lichtenergie in der Edition Grasmück kaufen. Weiter links redet ein Mann mit einem langen Bart über Fußreflexzonen. Ah, eine Fußmassage, das wäre jetzt was.

Aber es hilft ja nichts, man muss ja weiter, Eindrücke sammeln lautet der Auftrag von heute. Also zu den Promis. Auf dem blauen Sofa in Halle 4 ist Marcel Reich-Ranicki angekündigt. Alle sind da, möchte man meinen, außer Marcel Reich-Ranicki. Man flüstert sich zu, ihm sei plötzlich wieder eingefallen, dass er Buchmessen nicht leiden könne, also sei er ins Auto gestiegen und einfach abgehauen. Stattdessen freut sich auf dem Sofa einer der Geschäftsführer des Rowohlt Verlags, dass sein Autor Imré Kertesz den Nobelpreis für Literatur bekommen hat. Ein paar hunderttausend Bücher könne man binnen vier Tagen liefern, kein Problem, meint er. Das ist doch mal wieder eine Hoffnung!

Weiter, weiter. Nina Hagen soll auf die Messe kommen, zum Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, wo es eine neue Biografie über sie gibt. Doch ist auch ihr plötzlich eingefallen, dass sie keine Messen mag. Sie hat abgesagt. Dafür spricht weiter hinten Doris Dörrie, die Filme und Bücher produziert, wie andere frühstücken. Sie redet über moderne Beziehungskisten, worüber sonst. Dass Frau und Mann nicht mehr aus ökonomischen Gründen zusammenbleiben. Dass der einzige Grund, warum „wir“ es noch miteinander aushalten, die Liebe sei. Die Liebe also, aha!

Ein paar Meter neben Doris Dörrie scheint sich das zu bestätigen: Hier haben sich Verlage wie Campus für Christus angesiedelt. An einem großen Stand kann man sich bei „Christliche Literatur-Verbreitung“ ausruhen. Hier gibt es Bücher in DIN A 7 zu den Fragen des Lebens, die sich der Christ so stellt. Mirjam Schweizer hat eins davon geschrieben, es heißt „Doom, Amok und eine verschlossene Tür“ und handelt von Janosch, der gern Doom und andere blutige Computerspiele spielt.

Janosch erpresst Mitschüler und ist überhaupt ein Schlimmer. Bis zu dem Tag, als er seine Freundin zum Jugendgottesdienst begleiten muss. Hier ist plötzlich alles anders, es wird gelacht und gesungen, sogar inklusive „fetzigem Gitarren- und E-Bass-Sound“. Janosch öffnet Jesus schwuppdiwupp die Tür und verhindert ganz am Schluss – man höre und staune – sogar den geplanten Mord an einer Lehrerin durch zwei spielbegeisterte Mitschüler. Da bleibt wohl nur, diese Betrachtungen zur Buchmesse mit den Worten abzuschließen, die sich in C. H. Spurgeons „Die Arche und die Flut“ befinden: „Die Frage ist, ob die Menschen seit den Tagen Noahs klüger geworden sind.“ SUSANNE MESSMER