Erste Frau will Athener Rathaus erobern

Die konserverative Dora Bakoyannis hat gute Chancen, Bürgermeisterin der griechischen Hauptstadt zu werden

Am Sonntag in einer Woche könnte sie die erste Frau sein, die im Athener Rathaus residiert. In der ersten Wahlrunde, die morgen in der griechischen Hauptstadt stattfindet, darf Dora Bakoyannis mit 40 Prozent der Wählerstimmen rechnen. Ihr schärfster Konkurrent, der Pasok-Politiker Christos Papoutsis, liegt in den Umfragen so weit zurück, dass er in der zweiten Runde chancenlos ist.

Aber die 48-jährige Rechtsanwältin Bakoyannis wird am 20. Oktober noch nicht am Ende ihrer Wünsche sein. Das Athener „Dimarchio“, das Rathaus, ist in ihrer Karriere nur als Zwischenstation eingeplant. Sie macht kein Geheimnis daraus, dass sie die erste Ministerpräsidentin Griechenlands werden will. Schon heute gehört die Kandidatin der konservativen Nea Dimokratia (ND) zu den wenigen politischen Figuren, die man im ganzen Land beim Vornamen nennt. Und in der Beliebtheitsskala des politischen Spitzenpersonals steht „Dora“ – mit „Georgakis“, dem Pasok-Außenminister Papandreou – längst an der Spitze.

Das liegt daran, dass Dora innerhalb der ND den liberalen Flügel repräsentiert, also auch für Wähler der Mitte bis ins Pasok-Spektrum hinein wählbar ist. Dass sie es in der Politik überhaupt so weit gebracht hat, verdankt sie ihrer Herkunft. Sie ist die Tochter des konservativen Politikers Kostas Mitsotakis, von dem sie nicht nur ihre stattliche Körpergröße geerbt hat. Nachdem Mitsotakis die ND 1990 zu ihrem bisher einzigen Wahlsieg gegen die Pasok geführt hatte, machte er seine Tochter zur Kultusministerin. Noch wichtiger war für Dora die praktische Erfahrung als Büroleiterin des Vaters. Dort erlernte sie das politische Handwerk, das man in Griechenland braucht, um sich nicht nur in der Hauptstadtelite zu etablieren, sondern auch ein Netzwerk in der Provinz zu spinnen.

Das politische Profil der Dora Bakoyannis ist zudem durch den Familiennamen geprägt, den sie sich mit ihrer ersten Ehe angeheiratet hat. Pavlos Bakoyannis, den Dora während ihres Studiums in München kennen lernte, engagierte sich in der Juntazeit als Journalist bei der Deutschen Welle gegen die Militärdiktatur. Nach seiner Heirat wurde er ND-Abgeordneter und einflussreicher Mitsotakis-Berater. Das machte ihn zum Ziel der „Revolutionären Organisation 17. November“. Am 26. September 1989 wurde Pavlos von den Terroristen ermordet. Damit war Dora ein zweites politisches Erbe zugefallen, das sich auch darin ausdrückte, dass sie den Wahlkreis ihres Mannes übernahm.

Die künftige Athener Bürgermeisterin ist aber nicht nur eine Kreatur ihrer Familientradition. Sie hat sich längst ein eigenes Profil erarbeitet, das ihr in allen politischen Lagern hohen Respekt verschafft. Ihre Intelligenz und ihre Bereitschaft, konservative Positionen der alten ND einzureißen, aber auch ihr sechster Sinn für medienwirksames Auftreten machen sie zu einer ernsthaften Aspirantin auf die ND-Führung. Die wird heute von Kostas Karamanlis wahrgenommen, dem Neffen des gleichnamigen ND-Granden. Von diesem „Kostakis“ sagen auch viele Parteifreunde, er habe seiner Partei neben seinem respektablen Namen nicht viel zu bieten – im Gegensatz zu Dora. Zwar wird Karamanlis jun. seine Partei im Sommer 2004 in den nächsten Wahlkampf führen. Aber sollte er diese Wahlen verlieren, wird die Stunde von Dora gekommen sein. NIELS KADRITZKE