US-KONGRESS ERMÄCHTIGT BUSH, NOBELKOMITEE ERMUNTERT SEINE GEGNER
: Provinzpolitiker wollen den Krieg

US-Präsident George W. Bush hat von seinem Parlament die Ermächtigung zum Krieg gegen den Irak erhalten – und einer seiner Vorgänger, Jimmy Carter, ein vehementer Kritiker der Kriegspolitik des Präsidenten, den Friedensnobelpreis. Dem Nobelkomitee sei Dank für so viel Klarheit.

Vielleicht ist es derzeit der internationalen Gemeinschaft nur auf der Ebene solcher Symbole möglich, sich aus der Geiselhaft zu befreien, in die die Bush-Regierung Verbündete und US-Kongress genommen hat. Die Debatten in US-Senat und Repräsentantenhaus hatten etwas Gespenstisches an sich, eingezwängt in ein Korsett aus außenpolitischer Ahnungslosigkeit, manipulierten Informationen der US-Regierung und einem Terminplan, bei dem vor einem etwaigen Kriegsbeginn ganz sicher die Kongresswahl steht. So hatten die meisten Abgeordneten und Senatoren nur diese Stimmabgabe im Sinn. Einziger Grundsatz: Ja nichts falsch machen.

Bis auf das Thema war an diesem Verfahren alles Innenpolitik. Der sozialdemokratische Veteran Egon Bahr hat eine lange Strecke unangefochtener US-amerikanischer Dominanz in der Weltpolitik vorausgesagt – am Beispiel Irak zeigt sich jetzt, was das für die Welt hieße: Über Krieg oder Frieden am Persischen Golf entscheiden dann weder Sicherheitsrat noch die regional betroffenen Länder, sondern die Partikularinteressen einiger mit solidem Provinzblick ausgestatteter Abgeordneter aus dem Mittleren Westen oder aus New Jersey.

Dabei hat wahrscheinlich seit der Gulf-of-Tonkin-Resolution, die 1964 Präsident Lyndon B. Johnson den Eintritt in den Vietnamkrieg ermöglichte, keine US-Regierung mehr gegenüber dem eigenen Parlament so falsch gespielt wie die Bush-Truppe. Keines der einschlägigen Papiere über das tatsächliche ABC-Potenzial des Irak deckt auch nur ansatzweise die Behauptungen, die das Weiße Haus seit Monaten wiederholt und die von der Mehrheit des Kongresses nun brav nachgeplappert wurden. Nur zwei Tage vor der Abstimmung hat der eigene Geheimdienst eingeschätzt, dass der Irak allenfalls dann eine Bedrohung darstellt, wenn man ihn angreift – doch nicht einmal diese Äußerung hat zum Umdenken geführt. Das Weiße Haus, das dazu übergegangen ist, jeden noch so vorsichtigen Zweifel mit politischer Abstrafung zu bedrohen, hat sich wieder bravourös durchgesetzt.

Jetzt ist es Sache des Sicherheitsrats, die USA und Großbritannien mit ihrer Extremposition weiter allein zu lassen und aktiv für das Primat der Diplomatie einzutreten. Der Friedensnobelpreis für Jimmy Carter sollte dabei helfen. BERND PICKERT