„Präzedenzfall für uns und jede andere Nation“

Zwar gab es ein paar Demokraten, die gegen die Kriegsermächtigung für Präsident Bush wetterten. Die Mehrheit im Kongress war aber nicht in Gefahr: 373 Abgeordnete stimmten für, 156 gegen einen Irakkrieg. Internationale Reaktionen fallen zurückhaltend aus

BERLIN taz ■ Am Schluss gab es dann doch die übergroße Zustimmung. Mit 296 zu 133 Stimmen im Repräsentantenhaus und 77 zu 23 Stimmen im Senat ermächtigte der US-Kongress in der Nacht zu Freitag Präsident George W. Bush „die Streitkräfte der Vereinigten Staaten so einzusetzen, wie er es für notwendig und angemessen hält, um erstens die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten gegen die weiterhin vom Irak ausgehende Bedrohung zu verteidigen und zweitens alle einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zum Irak durchzusetzen“.

Vor dem Einsatz von Gewalt, spätestens jedoch 48 Stunden später, muss der Präsident die Vorsitzenden der Kammern darüber unterrichten, warum er zu dem Schluss gekommen ist, dass weitere diplomatische und gewaltlose Schritte allein nicht länger ausreichen, um die genannten Ziele zu erreichen. Eine zeitliche Begrenzung dieses Mandats gibt es nicht, alle 60 Tage soll der Präsident dem Kongress einen Bericht übermitteln, wie weit es mit der Umsetzung vorangegangen ist.

Mit dieser Rückendeckung wird Bush jetzt weiter den UN-Sicherheitsrat bearbeiten. In der nächsten Woche dürfte dort eine Entscheidung fallen. Und in den USA hoffen insbesondere die Demokraten nun, sich endlich voll dem Wahlkampf und den Themen widmen zu können, mit denen sie glauben, die Kongresswahlen am 5. November für sich beeinflussen zu können: Wirtschaftskrise, Haushaltsdefizit, Getreidepreise, Gesundheitsversorgung und und und. Wohl auch deshalb ging die Einigung insbesondere im demokratisch kontrollierten Senat jetzt schneller als eigentlich erwartet: Während im Repräsentantenhaus 126 Demokraten mit Nein stimmten und nur 81 die Resolution befürworteten, gaben 29 Senatoren Bush ihre Unterstützung, nur 21 lehnten die Kriegsermächtigung ab.

Selbst der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Tom Daschle, der noch vor Wochenfrist demonstrativ einem gemeinsamen überparteilichen Auftritt von Abgeordneten und Senatoren mit Präsident Bush ferngeblieben war, stimmte jetzt der Resolution zu. Und um gleichzeitig außenpolitische „Verlässlichkeit“ zu demonstrieren und trotzdem Recht zu behalten, hielt Daschle dann eine Rede, die vor allem Gründe für die Ablehnung aufzählte – vom Versäumnis der Regierung, eine tragfähige internationale Koalition zu bilden über die Zweifel an der Wahrhaftigkeit der von der Regierung vorgelegten Informationen bis zum Mangel an Szenarien für einen Irak nach Saddam.

Nicht alle aber präsentierten sich als Umfaller. Der demokratische Abgeordnete Pete Stark aus Kalifornien etwa hatte am Mittwoch im Haus gesprochen: „Vor allem aber traue ich dem Präsidenten und seinen Beratern nicht“, sagte er zur Begründung für sein Nein: „Wir entscheiden über eine Resolution, die einem Präsidenten völlige absolute Autorität überträgt, der ohne jeden spezifischen Akt der Provokation eine souveräne Nation überfallen will.“ Das wäre „ein Präzedenzfall für unsere oder jede andere Nation, überall auf der Welt ohne Rücksicht auf Völkerrecht oder internationalen Konsens brutale Gewalt anzuwenden“. Stark stimmte auch am Schluss mit Nein, wie die große Mehrheit der kalifornischen Demokraten.

International blieb die Reaktion auf die Kongressentscheidung verhalten. Die deutsche Bundesregierung blieb gestern bei ihrer Haltung: „Unsere Position ist klar und eindeutig, der Bundeskanzler und ich haben uns vor den Wahlen festgelegt, und das gilt auch jetzt“, sagte Außenminister Joschka Fischer gestern nach einem Treffen mit dem Beauftragten für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, in Berlin.

Die irakische Führung reagierte demonstrativ gleichgültig. „Diese Entscheidung des US-Kongresses hat uns nicht überrascht, und wir werden uns diesen aggressiven Plänen gegen unser Land entgegenstellen“, sagte der stellvertretende irakische Ministerpräsident Tarik Asis während eines Besuchs in Beirut. BERND PICKERT