Reanimierter Trachtenverein

Bei der Feier zum 20-jährigen Jubiläum des Weser Labels stapfte Gevatter Punk äußerst lebendig in violetten Cowboystiefeln über die Bühne. Überraschungsgäste: die „Abstürzenden Brieftauben“ und „Heiter Bis Wolkig“

Was ist der Unterschied zwischen Karneval und Deutschpunk? Beim Karneval wechseln alle zehn Jahre die Kostüme. So stand es mal in einem Punkrock-Fanzine. Böse Zungen behaupten gar, Punkrock sei wie jede andere Jugendbewegung nichts anderes als ein Trachtenverein, einer, so könnten noch bösere Zungen behaupten, bei dem man seinen Mitgliedsbeitrag in Form seines Verstandes bezahlt. Oder gleich mit dem Leben, wie Sid Vicious und Dee Dee Ramone.

Am Freitag im Schlachthof wirkte Gevatter Punk aber dann doch noch quicklebendig, auch wenn einige Kollateralschäden kaum zu übersehen waren. Diese den Jubilaren, also: Claus „Fabsi“ Fabian und seinem Weser-Label anzulasten, würde den Gastgebern nicht gerecht. Schließlich setzte Fabsi am Freitag nicht nur Maßstäbe in Sachen Kleidung – violette Cowboystiefel! –, sondern gab auch noch eine Party, dass es nur so krachte.

Nachdem Killerkouche und die Go Faster Nuns vorgeglüht, Jung-Punks Trockenübungen in Pogo gemacht hatte, derweil sie ein strenger Bühnenordner persönlich ermahnte, gefälligst nicht von der Bühne zu springen, folgte mit einem Überraschungsauftritt der für diesen Abend reanimierten Abstürzenden Brieftauben ein erster Höhepunkt – wenn auch nicht unbedingt ein musikalischer. Das wäre zuviel verlangt von einer Band, die „Fun-Punk“ Ende der Achtziger zu einem Schimpfwort machte.

Es folgten die Lokalmatadore von den Dimple Minds, die sich in den letzten Monaten erfolgreich zusammengerappelt haben und tight und druckvoll wie nie klangen: Die Bremer spielten schlichte Songs, in denen es primär um alkoholhaltige Erfrischungsgetränke geht. Hits wie „Blau aufm Bau“ und „Durstige Männer“ haben dabei über die Jahre nichts von ihrer Relevanz und Tiefenschärfe eingebüßt. Mit „Somebody Put Something In My Drink“ huldigten sie ihrem Konzept angemessen dem letztes Jahr gestorbenen Sänger der Ur-Punk-Band The Ramones.

Als zweite Überraschung standen dann die Kölner Heiter Bis Wolkig auf der Bühne, eine Art politisches Kabarett für Punkrocker, bevor dann der eigentliche Höhepunkt des Abends auf dem Programm stand: Fabsi und der Peanutsclub spielten sich gut gelaunt und erfrischend unseriös durch ein Programm aus den Songs der Bands, mit denen Fabsi zu einer Ikone des Punkrock wurde – von ZK über die Mimmis bis zum Peanutsclub. Die Menge dankte es und wurde mit einer ausufernden Version von „You‘ll Never Walk Alone“ belohnt, bei der Bier und Sekt in Strömen flossen. Andreas Schnell