Ein eher schniekuöses Karée

Das Kontorhaus am Markt: Ende Oktober wird das neue Bremer Schmuckkästchen in Sahnetortenlage eröffnet. Die Shoppingmeile ist ein weiterer Baustein für die Renaissance der City. Pünktlich zur Bürgerschaftswahl ist sogar fast alles fertig

Am Marktplatz ist schon alles piccobello, das Rathaus nur noch halb verhüllt – und gleich nebenan wird Ende Oktober ein neues Bremer Schmuckkästchen in Sahnetortenlage eröffnet: Das Kontorhaus am Markt inklusive Edelpassage, das die Shopping-Öde zwischen City und Schlachte mit Leben füllen soll.

Außen Backstein, Sandstein und Muschelkalk, innen dürften bald rund um den neugebauten Lichthof Nobelläden mit den sonstigen Mietern in der City fremdeln.

„Spaghetti-Factory“ und Coffee-Shop werden zwar für Laufkundschaft sorgen – ansonsten ist es eher schniekuös im Karée: Eingezogen sind schon der „Captain‘s Store“ mit seinen Slippern, blauen Jankern und Ankerkrawatten, die Edel-Boutique von Evelyn Frisinger und Nobelfriseur Roman Kroupa.

„Ich will nicht nur Haar-Cutter sein“, sagt Kroupa, der nach 17 Jahren am Ostertorsteinweg gleich 350 Quadratmeter im neuen Haus gemietet hat – bei Investitionen „im sechsstelligen Euro-Bereich“ und für rund 65 Mark Kaltmiete pro Quadratmeter. Kroupa macht vor, wohin der Zug im denkmalgeschützten Kontorhaus fährt: In seinem dem Friseurladen angeschlossenen Wellness-Tempel „Space Beauty“ gibt‘s Gesichtsepilieren für 10, Braut-Makeup für 42 und die sogenannte „Prada-Spezialbehandlung“ für sagenhafte 90 Euro – also wenig dabei für Oma Kasuppke aus Delmenhorst.

„Das Kontorhaus ist unsere exotischste Immobilie“, sagt Lutz Ruminski, Sprecher der Bremer Investitionsgesellschaft (BIG), die als Besitzerin in den vergangenen zwei Jahren 15 Millionen Euro in das Gründerzeitgebäude gesteckt hat. Exotisch ist nicht nur, dass sich hier eine bremeneigene Firma als Vermieter einer Ladenpassage betätigt. Exotisch ist auch, dass bis zuletzt niemand den Repräsentationsschuppen in 1 A-Lage haben wollte.

Das Kontorhaus am Markt: 1910 als Filiale der Berliner Disconto-Bank eröffnet, dann Telegrafenamt und Telekom-Entwicklungszentrum Nord. Zuletzt war es im Visier des Baulöwen Zech, der hier ein Nobelhotel einrichten wollte und dann doch absprang. Um keinen Leerstand zu riskieren, sprang 1999 der Senat ein. BIG-Sprecher Ruminski: „Der Kauf war eine politische Lösung.“

Damit die Obergeschosse nicht leer stehen, zog halt die BIG selbst samt Tochtergesellschaften und 130 Mitarbeitern ein, die angeschlossene BIA (Bremer Innovations-Agentur) benutzt sogar noch einige Büroräume der Immobilienfirma Justus Grosse, die nebenan ebenfalls kräftig renoviert hat.

Die City ist tot – es lebe die City! Seit Anfang der 80er Jahre war in der Innenstadt nicht mehr viel passiert. In Bremen gibt es gleich mehrere Gründe, die die ohnehin angesagte Renaissance des Herzstückchens beförderten. Ausgelöst durch die Werftenkrise grübelten die Bremer, wie anderweitig wieder Geld ins Land zu pumpen sei. Die Lösung: Städtetourismus. Es folgten Musicals, Messen – und leider auch viele Pleiten. Letztlich geholfen haben dürfte das Innenstadt-Wiederbelebungsprogramm, dass die Einzelhändler der City im Gegenzug zum Space Park gefordert hatten – und dann auch bekamen.

Pünktlich kurz vor der Bürgerschaftswahl im Mai 2003 wird also Buddel-City langsam baustellenfrei. Derzeit jagt eine Eröffnung die andere: Marktplatz, Obernstraße, Karstadt-Umbau, noch diesen Monat soll die Langenstraße wieder durchgängig begehbar sein. Im Frühjahr 2003 folgt Peek & Cloppenburg, das hinten einen Direktausgang zum Kontorhaus bekommen wird.

Dann geht die Vershoppisierung der Bremer City nur noch in den „Randlagen“ weiter: Mitte nächsten Jahres erweitert sich das Parkhaus in der Langenstraße durch den Abriss des gegenüberliegenden ehemaligen Sozialamts erheblich. Und schon 2004 soll auf dem Bredenplatz ein Hotel mit Ladenzeile öffnen. BIG-Sprecher Lutz Ruminski: „Dafür wird bereits in den nächsten Monaten das Gebäude des Hafensenators abgerissen.“ Kai Schöneberg