Don Quijote von Tschernobyl

Der Atomphysiker Professor Wassilij Nesterenko aus Weißrussland berichtet Huchtinger Schülern über die bedrückende Situation von Kindern in den verstrahlten Gebieten

Tschernobyl. Die Schüler, die in der Aula der Integrierten Stadtteilschule an der Hermannsburg dem Vortrag von Professor Wassilij Nesterenko lauschen, sind alle nach 1986 und tausende Kilometer von jenem Ort entfernt geboren worden, an dem im April 1986 der weltweit erste größte anzunehmende atomare Unfall stattfand. Der Gau.

Ganz still hören sie zu, als der Kernphysiker Nesterenko über das Leben der Kinder an ihren Partnerschulen im Süden Weißrusslands erzählt, die noch täglich mit den Folgen der Katastrophe kämpfen müssen. „Mit jedem Atemzug, mit jedem Bissen nehmen sie hoch gefährliches radioaktives Cäsium auf.“ Die Folge: Herzerkrankungen, schwache Abwehrkräfte und Krebs schon bei den Kleinsten.

Für Nesterenko war der brennende Reaktor von Tschernobyl ein Schlüsselmoment. „Solche gefährlichen Technologien dürfen nicht weiter genutzt werden. Das ist eine Schlussfolgerung, die jeder vernünftige Mensch aus Tschernobyl ziehen muss.“ Bis zur Katastrophe hatte er selbst für die sowjetische Atomindustrie geforscht. Das vielfache Leid, das er seitdem gesehen hat, machte ihn zu einem entschiedenen Gegner der Atomenergie. „Don Quijote von Tschernobyl“ nennen seine Landsleute in Weißrussland den Grauhaarigen. Sie rechnen auf seinen Einsatz. Sie wissen, dass seine Reisen ins Ausland Geld für Messgeräte und medizinische Hilfe bringt. Auch gestern in Bremen warb er wieder gemeinsam mit dem Bremer „Arbeitskreis gegen das Vergessen von Tschernobyl“ Patenschaften für strahlengeschädigte Kinder ein. Für nur 20 Euro im Jahr kann ein Kind mit Pektin behandelt werden. Der Wirkstoff bindet das radioaktive Cäsium im Körper, das sich so leichter ausschwemmen lässt. Noch stehen 300 Kinder auf Nesterenkos Warteliste.

Anne Ruprecht

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