Opportunisten uneinsichtig

Obwohl auf dem PDS-Parteitag beschimpft und marginalisiert, setzen Liebich und Wolf weiter auf Rot-Rot. Weder Kurskorrektur noch Sonderparteitag geplant. Wowereit: „Koaliere nicht mit Zimmer“

von ROBIN ALEXANDER

Auf ihrer letzten Senatssitzungen haben die ehemaligen PDS-Senatoren den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ultimativ aufgefordert, Egon Krenz aus dem Gefängnis von Moabit freizulassen. Damit folgten Harald Wolf (Exwirtschaftssenator), Heidi Knake-Werner (Exsozialsenatorin) und ein erleichtert wirkender Thomas Flierl (Exkultursenator) einem Auftrag des Geraer Parteitags der PDS vom Sonntag an die Senatoren, sich „unverzüglich“ für eine Freilassung des letzten Generalsekretärs der SED einzusetzten. „Ich kann mich nicht erpressen lassen, damit ist die Koalition beendet – und das ist auch gut so“, erklärte Wowereit anschließend. Er werde sich aus der Politik zurückziehen. Der SPD-Vorsitzende Peter Strieder hingegen lud die CDU zu „zügigen Sondierungsgesprächen“ über die Bildung einer großen Koalition ein. Bildungssenator Klaus Böger (SPD) erklärte: „Stölzl, übernehmen Sie!“

Diese Nachricht wird es nicht geben – zumindest morgen nicht. Auf der Tagesordnung der heute stattfindenden Senatssitzung fehlt der Name von Egon Krenz. Die in Gera als „Opportunisten“ geschmähte Führung der Berliner PDS ignoriert den entsprechenden Beschluss des Parteitags. Auch die mit der Wahl Gabi Zimmers zur Bundesvorsitzenden und der Annahme ihres Leitantrags der „gestaltenden Opposition“ verbundene Richtungsänderung der PDS wird es in Berlin vorerst nicht geben. Partei- und Fraktionschef Stefan Liebich erklärte gestern: „Es gibt keine Kurskorrektur.“ Klaus Wowereit zeigte sich erleichtert: „Unser Koalitionspartner ist nicht Frau Zimmer.“

Doch auch in der Berliner PDS wähnen sich die Kritiker der bisherigen rot-roten Politik nach Gera im Aufwind. Der Abgeordnete Wolfgang Brauer erklärt im taz-Interview, er glaube nicht, dass die zimmerkritische „Mehrheit der Berliner Delegierten“ in Gera „auch tatsächlich die Berliner PDS repräsentiert“. Die in Lichtenberg direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch meint: „Der Vorstand steht in der Pflicht, mit der Basis unsere Niederlage bei der Bundestagswahl zu diskutieren.“

Aber die Berliner Führung möchte vorerst lieber unter sich bleiben. Heute Abend trifft sich die so genannte Koalitionsrunde, ein informeller Kreis aus dem Partei- und Fraktionschef, den Senatoren und wichtigen Mitarbeitern der Partei, um das weitere Vorgehen zu beraten. Am Freitag berät dann der Landesvorstand das weitere Vorgehen. Für kommenden Dienstag ist eine außerplanmäßige Fraktionssitzung vorgesehen. Nur kurz war im Führungszirkel die Einberufung eines Sonderparteitags erwogen worden. Dort hätte man sich ein „Plädoyer für das Weitermachen“ holen können, so das Kalkül – oder eine blutige Nase.

Nach Gera gibt es keine Berliner mehr im Bundesvorstand der PDS. Sahra Wagenknecht und Rim Farha wohnen zwar hier, sind aber keine Vertreter der Berliner Reformmehrheit. Petra Pau, langjährige Berliner Vorsitzende und zuletzt stellvertretende Bundesvorsitzende, war nicht mehr bereit, mit Gabi Zimmer in einem Führungsgremium zu arbeiten. Schon in Gera war den Berlinern Verweigerung aus Trotz vorgeworfen worden. Als sich dann der den Berliner Reformern zugehörige Michail Nelken doch noch wählen lassen wollte, ließ ihn die Parteimehrheit durchfallen. Nach Angaben von Liebich erwägen „einige jüngere PDS-Mitglieder“ des Berliner Landesverbandes den Parteiaustritt. Man rede ihnen jedoch gut zu, um sie zu halten. Bisher hat nur die frühere Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt offen bekannt, über einen Austritt nachzudenken.

Der Geraer Parteitag hatte einen Leitantrag Gabi Zimmers angenommen, der sich deutlich von der bisherigen Politik des rot-roten Senats absetzt (s. Kasten). Wird Zimmer mit ihrem sächsisch-westdeutschen Führungsteam versuchen, auch die Mehrheit in Berlin zu ihren Gunsten zu verschieben? Ein potenzielles Instrument dazu wären „Regionalkonferenzen“. Die, so beschloss der Parteitag, sollen unter Regie des Bundesvorstands in allen Ländern die Ursachen der Wahlniederlage vom 22. September analysieren.