„Wie ein eigenes Kind, wenn Fritz spielt“

Gespräch mit Mathias Feist (41), Bediener des Schachcomputers Deep Fritz beim Match gegen Wladimir Kramnik, über die Verwirrung des Elektronenhirns, die fatale Rolle der Dame und die Identifikation mit dem maschinellen Sprössling

taz: Herr Feist, wer ist am aufgeregtesten während der Partie: Sie als Amateur oder Kramnik, für den es gegen den emotionslosen Deep Fritz um eine Million Dollar Preisgeld geht?

Mathias Feist: In der ersten Partie haben meine Hände gezittert, als ich die Züge ausführte. Kramnik dagegen war viel ruhiger. Für mich ist das eine einzigartige Erfahrung. Die Aufregung legt sich aber von Partie zu Partie.

Bis zur fünften Partie wirkte Ihr Programm recht hilflos. Kramnik wählte Eröffnungen, in denen gleich die stärkste Figur abgetauscht wurde. Während der Weltmeister ohne Damen prima auskam, wirkte Deep Fritz verwirrt.

Mein Kollege Frans Morsch, der Fritz erfand und immer noch mit mir programmiert, hält das Spiel von Deep Fritz auch für effektiver, wenn die gefährliche Dame auf dem Brett bleibt. Aber auch die Bauernstrukturen bestimmten die bisherigen Partien. Kramnik ist offensichtlich in der Lage, Strukturen herbeizuführen, die er besser versteht als jeder andere. Insbesondere auch besser als Fritz. Das Programm macht objektiv alles richtig und freut sich in seiner Bewertungsanzeige über einen gewissen Stellungsvorteil – wird dann aber durch vermeintlich unlogische Züge Kramniks eines Besseren belehrt.

Kramnik verlor die fünfte Partie nur durch einen simplen, für ihn gänzlich ungewöhnlichen Patzer. Langweilt Kramnik den Computer zu Tode?

So könnte man es auch ausdrücken. Im Ernst: Kramnik bringt Positionen aufs Brett, in denen er Taktik vermeiden kann. Das Spiel wurde bisher mehr von allgemeinen Plänen bestimmt als von konkreten Berechnungen. Seine Drohungen kommen nicht in den nächsten zehn Zügen zum Tragen. Die langfristigen Pläne verschwinden so hinter dem Rechenhorizont des Computers. Den zweizügigen Patzer entlarvte Fritz natürlich sofort. So etwas entgeht keinem Programm.

In der zweiten Partie stellte Deep Fritz den Läufer im zwölften Zug wieder auf sein Ausgangsfeld f8 zurück. Jeder Amateur wusste sofort, dass andere Läuferzüge besser sind. Will man als Verbandsligaspieler wie Sie nicht selbst in die Partie eingreifen und den Läufer nur nach e7 zurückziehen?

Natürlich würde ich in solchen Fällen gerne selbst eingreifen. Ich bin jedoch nur das ausführende Element. Ich würde mich das auch kaum trauen: Der Grund des Zuges könnte in einer versteckten Taktik liegen, die ich nicht durchschaue.

Welche Gefühlswallungen sind ausgeprägter: Wenn Sie selbst einen Wettkampf bestreiten oder wenn Ihr Programm gewinnt oder verliert?

Die Gefühle sind viel stärker, wenn Fritz spielt. Das ist wie ein eigenes Kind, das eine Partie spielt. Es steckt so viel Arbeit darin, dass die Identifikation sehr groß ist. Meine eigene Position im Schach als passabler, aber keineswegs herausragender Spieler habe ich schon lange akzeptiert.

Glauben Sie nach dem ersten Sieg noch an eine Wende?

Nach der Hälfte der acht Partien kündigte ich trotz des 1:3-Rückstands an, dass wir auch unsere Höhepunkte bekommen und Kramnik noch Fehler machen wird, selbst wenn er bis dahin keine Bereitschaft dazu zeigte. Exakt das ist jetzt eingetreten. Mein Tipp vor dem Match lautete 5,5:2,5 für Kramnik. Das sollte nun auf jeden Fall zu schaffen sein.

Gönnen Sie uns abschließend einen Tipp, wie auch Nichtweltmeister am heimischen PC Deep Fritz schlagen können.

Im Modus „Freund“ spielen.

INTERVIEW: HARTMUT METZ