DIE PRÄSIDENTENWAHL VERDEUTLICHT ALLE SCHWÄCHEN SERBIENS
: Mangel an Demokratie

Die Präsidentenwahl hat alle Schwächen Serbiens zum Vorschein gebracht: Verfassung, Gesetze und Wählerlisten aus der Machtära von Slobodan Milošević sind immer noch gültig; die Reformen der Justiz und der Polizei lassen auf sich warten; und die Legalität des serbischen Parlaments wird vom jugoslawischen Bundespräsidenten Vojislav Koštunica angefochten.

Serbien zahlt den Preis der allzu bunten Koalition von achtzehn Parteien, DOS, die vor zwei Jahren die Wende gegen das Regime Milošević vollbracht hat. DOS ist zwar noch an der Macht, doch durch den internen Machtkampf gelähmt. Die Konfrontation innerhalb des Parteienbündnisses verschärfte sich, als Premier Zoran Djindjić der Demokratischen Partei Serbiens, DSS, rechtlich fragwürdig ihre Mandate entzog. Obgleich stärkste Partei Serbiens, wurde die DSS unter Vorsitz von Vojislav Koštunica in die Opposition verdrängt. Seitdem wird die Legalität des Parlaments in Frage gestellt.

Zudem hat es die DOS versäumt, in den vergangenen zwei Jahren demokratische Institutionen aufzubauen. Djindjić regiert deshalb per Dekret außerhalb der Institutionen. Die Position seiner Regierung ist somit geschwächt. Und nun hat es Serbien versäumt, wenigstens einen Präsidenten zu wählen, der die institutionellen Lücken füllen könnte.

Das wirtschaftlich ruinierte Serbien sucht den Ausweg in einer raschen Privatisierung der staatlichen, größtenteils bankrotten Unternehmen. Über die Privatisierung entscheidet die Regierung praktisch ohne jegliche Kontrolle. Diverse Profiteure, die dem Regime Milošević nahe standen und dadurch reich wurden, mischen dabei kräftig mit. Das größte Problem Serbiens ist, dass sich zwar die Machthaber verändert haben, doch das Machtsystem kaum verändert worden ist. Der große Unterschied liegt natürlich darin, dass die serbische Reformregierung entschieden proeuropäisch orientiert ist und sich als die primäre Aufgabe die Integration Serbiens in die EU gestellt hat. Doch ohne den Aufbau demokratischer Institutionen wird das wohl kaum gelingen. ANDREJ IVANJI