BALI-ATTENTAT: DER PAUSCHALE VERWEIS AUF AL-QAIDA IST ZU BEQUEM
: Einfache Antwort, falsche Frage

Kaum eine offizielle Stellungnahme zu dem Anschlag auf Bali, kaum ein Kommentar kommt ohne die Frage aus: War es al-Qaida? Und gleich ist auch ein schlauer Experte oder gar ein Minister zur Hand, der dies eindeutig mit Ja beantwortet. Das Schöne daran: Die Behauptung kann gänzlich falsch nicht sein, denn die Definition dessen, was die al-Qaida darstellt, ist extrem diffus – Mitgliedsausweise stellt sie jedenfalls nicht aus. Wird die Aussage dann auch noch alifiziert, indem nur „Verbindungen“ zur al-Qaida unterstellt werden, schwindet der letzte Rest einer sinnvollen Analyse.

Die Frage ist deshalb, was eine behauptete Verbindung zur al-Qaida genau bedeutet. Das Spektrum der denkbaren Verbindungen bewegt sich zwischen einer Kaderstruktur, bei der die Befehle von Bin Laden oder seinem inneren Zirkel ausgehen, einerseits und einem breit gefächerten Kreis von eigenständig agierenden Anhängern andererseits. Dazwischen ist jede Konstellation denkbar.

Entscheidend ist die Frage nach der Art der Verbindung deshalb, weil die Antwort einen elementaren Unterschied bei der Wahl der Strategie zur Verhinderung künftiger Anschläge macht. Betrachtet man die al-Qaida primär als einen schlagkräftigen Apparat, dann wäre das Problem mit der Zerstörung seiner Strukturen beseitigt. Dies ist der Ansatz, der dem seit einem Jahr währenden so genannten Antiterrorkrieg zugrunde liegt. Betrachtet man das, was als al-Qaida beschrieben wird, jedoch primär als ideologische Klammer und als Finanzierungsnetzwerk, dann liegt die Vermutung nahe, dass der „Antiterrorkrieg“ die Vorbildfunktion des zum Untergrundhelden aufgestiegenen Ussama Bin Laden verstärkt und die Rekrutierung neuer Attentäter vereinfacht hat.

Der pauschale Verweis auf die al-Qaida wird sich dennoch halten – weil er so beem ist. Denn wer das Problem auf die Existenz einer Organisation reduziert, der hat mit dem „Antiterrorkrieg“ gleich eine Lösung des Problems parat. Und da das Zentrum des Terrors offenbar noch nicht zerstört ist, geht der Krieg halt noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte weiter. Eine differenzierte Analyse der Verflechtung und der Machtbasis von Terrorgruppen würde da nur stören. ERIC CHAUVISTRÉ