Sieg für Chávez

Am Sonntag demonstrierten in Venezuela mehr Menschen für Präsident Chávez als zuvor gegen ihn

BUENOS AIRES taz ■ Hätte jemand darauf gesetzt, dass es Präsident Hugo Chávez am Sonntag gelingen würde, mehr Demonstranten auf die Straßen zu bringen als die Opposition vergangenen Donnerstag, hätte er jetzt viel Geld gewonnen. Für eine solche Risikowette hätten die Sätze hoch gelegen, gaben doch die großen Fernsehsender des Landes nicht viel auf die Demonstration des Präsidenten. Aber die Lage in Venezuela ist zu ernst und zu unvorhersehbar – und herauskommen würde meist ein Patt, das zeigt, wie zerrissen das Land momentan ist.

Dieses Mal ging der Rundensieg an Chávez. Nach der Massendemonstration vom Donnerstag vergangener Woche, als über hunderttausend Menschen seinen Rücktritt gefordert hatten, wollte der Präsident zurückschlagen. Und es ist ihm nach Zahlen gelungen. Weit über hunderttausend Menschen – etwas mehr als am Donnerstag – marschierten am Sonntag mit ihrem Präsidenten 16 Kilometer durch die Hauptstadt Caracas, um zu zeigen, dass Chávez lange nicht so isoliert ist, wie seiner Gegner glauben machen wollen.

Derart angefeuert, wurde Chávez auch gleich übermütig. Er bezifferte die Zahl seiner Demonstranten auf zwei Millionen, was unanständig übertrieben war. Es war Chávez selbst, der mit rotem Offizierskäppchen den Marsch zu seiner Unterstützung anführte. Und er genoss die Massenversammlung offensichtlich. Der Marsch würde der Welt zeigen, „für wen sich Venezuela entschieden hat“, so Chávez.

Doch für wen Venezuela sich entschieden hat, ist noch offen. Vergangenen Donnerstag – auf den Tag genau sechs Monate nach dem Putschversuch der Opposition – forderten seine Gegner Chávez' Rücktritt und stellten ihm ein Ultimatum. Sollte er bis zum morgigen Mittwoch keine Neuwahlen ausgerufen haben, würden die Gewerkschaften gemeinsam mit den Unternehmerverbänden zum Generalstreik aufrufen.

„Bellende Hunde beißen nicht“, ätzte Chávez am Sonntag ins Mikrofon. „Wahlen?“, fragte er: „Im Dezember 2006.“ Denn so will es die Verfassung. Wenn er aber könnte, würde er Neuwahlen vorziehen, um die Opposition erneut „hinwegzufegen“, wie bei den Wahlen zuvor.

Zwar war Chávez während seiner Demonstration permanent von Fernsehkameras umstellt. Doch einzig der von der Regierung kommandierte Sender war während seiner Rede live auf Sendung. Als der Staatssender von Caracas aus die Rede des Präsidenten ausstrahlte, klinkten sich einige Kabelfernsehanbieter aus der Übertragung aus. Sie sendeten stattdessen ein Testbild. INGO MALCHER