PDS-Länderallianz gegen Zimmer

Die „Afghanisierung der PDS“ schreitet nach dem Parteitag von Gera voran. Reform-Landesfürsten verbünden sich gegen die frisch bestätigte Parteichefin Gabi Zimmer. Deren Unterstützer einen weniger gemeinsame Ziele als gemeinsame Feinde

aus Berlin ROBIN ALEXANDER

Der große Verlierer des Geraer PDS-Parteitages, Roland Claus, hat wenigstens eines behaupten können: die Definitionshoheit. Der ehemalige Chef der aufgelösten Bundestagsfraktion und gescheiterte Bewerber um den Parteivorsitz hatte schon Mitte der vergangenen Woche vor Journalisten von einer drohenden „Afghanisierung der PDS“ gesprochen und damit die Terminologie vorbestimmt.

Da ist etwa die „Nordallianz“. Sie besteht aus den Landesverbänden von Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, in denen die in Gera besiegten Reformer die Mehrheit haben. Schon in der Stunde der Niederlage hatte der bisherige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch die Aufgabe, die Reste des Reformlagers zu organisieren, an die Landesvorstände dieser Bundesländer delegiert. Der Plan der Nordallianz: Es soll ein regelmäßiges Treffen aller PDS-Landeschefs institutionalisiert werden. Da die westdeutschen Landesverbände in der PDS keine Rolle spielen, hätten die Nordallianz-Reformer in diesem Gremium eine Mehrheit von 4 zu 2 gegen die Zimmer-treuen Landesverbände von Sachsen und Thüringen. So könnte eine Gegenmacht zum Bundesvorstand entstehen.

Dort nämlich spielen die Reformer, die jahrelang die Politik der PDS prägten, keine Rolle mehr. Nach der Ablehnung ihres Leitantrages, dem Rückzug von Bartsch und dem Untergang von Claus verweigerten sich die Zimmer-Gegner jeder Zusammenarbeit. Im neuen Vorstand sitzt daher keine der beiden verbliebenen Bundestagsabgeordneten, kein Mitglied einer rot-roten Landesregierung und niemand der bekannten PDS-Vordenker.

Petra Pau, eine der zwei Bundestagsabgeordneten, erklärte gestern, sie werde sich „erst einmal“ auf die Landtagsfraktionen stützen. Wie sich die Zusammenarbeit mit dem Bundesvorstand entwickeln werde, müsse sich noch zeigen. In Berlin, wo die PDS gemeinsam mit der SPD regiert, ist man besonders schlecht auf Zimmer zu sprechen. Die hatte in ihrer Rede auf dem Parteitag mit Blick auf die rot-rote Koalition von einem „Opportunismusproblem“ gesprochen.

Zimmers – mit großer Mehrheit angenommener – Leitantrag widerspricht der Senatspolitik der Berliner PDS explizit in drei Punkten. Die Regierungssozialisten sondierten gestern, ob sie auf einem Sonderparteitag ein „Plädoyer fürs Weiterregieren“ einholen sollten. Den direkten Auftrag des Parteitages, im Senat die Begnadigung des in Berlin inhaftierten früheren SED-Generalsekretärs Egon Krenz zu erzwingen, wollen die Berliner augenscheinlich ignorieren: „Krenz will doch überhaupt nicht begnadigt werden!“, erklärte ein Senatssprecher genervt. Groß ist die Verunsicherung auch beim sozialdemokratischen Koalitionspartner. Die Berliner SPD war der PDS letzte Woche mit einer gemeinsamen Forderung nach einer Bundesratsinitiative für eine „neue Vermögenssteuer“ weit entgegengekommen. Der Parteitag weigerte sich, dies zur Kenntnis zu nehmen.

In Mecklenburg-Vorpommern gingen gestern die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und PDS weiter, obwohl auch der dortige PDS-Führer, Helmut Holter, zu den Verlierern von Gera gehört. Er könnte bald Verstärkung bekommen. Dietmar Bartsch ist als Minister oder Staatssekretär in der Schweriner Staatskanzlei im Gespräch.