Gefecht mit vielen Unbekannten

Weltweit häufen sich wieder ungeklärte Anschläge, die al-Qaida zugeschrieben werden. Im Kampf gegen den Terrorismus sind Militärs weltweit im Einsatz – bei Missionen von zweifelhaftem Wert

BERLIN taz ■ US-Experten gehen davon aus, dass der Terroranschlag von Bali der bisherige Höhepunkt einer neuen Welle von Angriffen des Al-Qaida-Netzwerkes in der gesamten islamischen Welt gewesen ist. So starb am 2. Oktober ein Mitglied der US Special Forces auf den Philippinen bei einem Bombenanschlag, am 6. Oktober riss ein Sprengstoffanschlag ein Loch in den französischen Öltanker „Limburg“ vor Jemen. Am 8. Oktober wurde ein US-Marinesoldat in Kuwait erschossen, gestern kamen US-Soldaten dort erneut unter Beschuss. Auch für die Mordserie in Washington, bei der ein Scharfschütze acht Menschen erschoss, wird von Ermittlern ein terroristischer Hintergrund nicht mehr ausgeschlossen.

Gestern veröffentlichte der arabische Fernsehsender al-Dschasira eine angeblich von Ussama Bin Laden stammende Erklärung, in der er die Anschläge von Kuwait und Jemen begrüßt und zum gemeinsamen Kampf aller Muslime gegen Amerikaner und Juden aufgefordert haben soll. Selbst wenn das eine Finte ist: „Der Anschlag auf die Soldaten in Kuwait und das Schiff vor Jemen, das könnten Vorboten weiterer Attacken sein“, zitierte die New York Times am Sonntag einen hohen US-Regierungsbeamten. „Wir halten dies für eine bedrohliche Entwicklung.“ Ein Senatsmitglied des US-Geheimdienstausschusses, Richard Shelby, sprach von einer möglichen zweiten Welle von Angriffen al-Qaidas. Sie würden sich „in einer anderen Weise“ bemerkbar machen, da das Netzwerk jetzt dezentraler arbeite.

Ende August hatte eine UN-Untersuchungskommission in einem Bericht festgestellt, al-Qaida sei „gesund und munter, trotz der erfolgreichen Vorstöße gegen sie in den jüngsten Monaten, und steht bereit, erneut zuzuschlagen – wie, wann und wo sie will“. Michael Chandler, Vorsitzender der zuständigen UN-Kommission, sagte damals: „Niemand sollte daran zweifeln, dass al-Qaida weiterhin über genug Ressourcen verfügt, um in vielen Teilen der Welt zu operieren und weitere Terroranschläge zu planen und durchzuführen.“

Der große Gegenschlag der internationalen Antiterrorkoalition lässt aber auf sich warten. Stattdessen sind Militärs weltweit im Einsatz bei Missionen von zweifelhaftem Wert. Bis zu 8.000 Spezialkräfte und andere Militärs aus den USA und verbündeten Ländern sind in Afghanistan und in angrenzenden Gebieten Pakistans mit der Jagd auf Taliban und Mitstreiter Ussama Bin Ladens beschäftigt, ohne in letzter Zeit Erfolge melden zu können. Anscheinend wirkungslos ist auch der Marineeinsatz unter deutschem Kommando am Horn von Afrika. Kriegsschiffe aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und den USA überwachen die Seewege vom Roten Meer über Somalia bis nach Oman und haben nichts zu tun.

1.000 deutsche Soldaten sind dafür in Dschibuti und Kenia stationiert, 800 US-Amerikaner rückten letzte Woche in Dschibuti ein, wo schon 2.730 Franzosen stehen. Die Besatzung der „Berlin“ – des größten Versorgungsschiffs der Bundesmarine, das sich am Sonntag auf den Heimweg machte – verbrauchte nach Marineangaben in knapp sechs Monaten 43.000 Brötchen und 72.000 Liter Mineralwasser, ohne einen einzigen Terroristen gesehen zu haben. Pech für die Seekrieger gab es sogar beim Anschlag auf die „Limburg“: Er wurde in Jemens Territorialgewässern begangen – außerhalb der Reichweite der internationalen Flotte. DOMINIC JOHNSON