Eichel auf Umwegen

Der Finanzminister wurde gezwungen, seine Sparpolitik zu modifizieren. Aufgegeben hat er sie damit aber keineswegs

BERLIN taz ■ Wenn es einen Politiker gegeben hat, der unter den rot-grünen Verhandlungen der vergangenen Tage litt, so war es Bundesfinanzminister Hans Eichel. Die Verhandler, allen voran Grünen-Chef Fritz Kuhn und der künftige Minister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, schienen Eichels Lebenswerk zerstören zu wollen. Sparen sollte plötzlich out, Geld ausgeben wieder in sein. Schon war von der Demontage des Finanzministers zu lesen.

Das Verhandlungsergebnis zeigt das Gegenteil. Die wesentlichen Anstrengungen konzentrieren sich noch immer auf das Umschichten im Haushalt und die Kürzung von Ausgaben. Durch Streichen von Steuerausnahmen sollen 2003 rund 4,2 Milliarden Euro erwirtschaftet, durch Kürzungen bei Sozialausgaben immerhin 7,4 Milliarden beschafft werden. Die neue Kreditaufnahme beträgt einstweilen nur 2,6 Milliarden Euro. Genug freilich, um das 3-Prozent-Kriterium von Maastricht zu verletzen – was Eichel immer vermeiden wollte.

Das ist eine Niederlage – aber eine kleine. Weder zeitigten die Koalitionsverhandlungen einen abrupten Wechsel der politischen Prioritäten, noch steht Eichels Politik der Konsolidierung grundsätzlich zur Disposition. Zu beobachten ist stattdessen eine ganz allmähliche Verschiebung des Akzents, eine Flexibilisierung der Sparpolitik – keine Abkehr von ihr. Die Regierung vollzieht nur nach, was bei der EU sowieso Stand der Dinge ist: Ein nahezu ausgeglichener Haushalt wird nicht mehr für 2004, sondern erst für 2006 angestrebt. Bis dahin dürfen die einzelnen Länder die Defizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausnahmsweise überschreiten. Der 1992 in Maastricht geschlossene Pakt zur Gründung der Währungsunion gilt aber nach wie vor. Hans Eichel beschreitet keinen Abweg, sondern einen Umweg. Nun muss die Regierung tun, was die schlechte Konjunktur verlangt: mit kreditfinanzierten Ausgaben der Wirtschaft wenigstens etwas unter die Arme greifen, damit die nächste Rezession vermieden werden kann. HANNES KOCH