Wahlkampfzeiten

Vor der Jahreshauptversammlung wird beim FC St. Pauli Stimmung gemacht. Antragsteller werden benannt und interne Briefe weitergeleitet

Mehrheiten erreicht man derzeit am Besten, indem man Personen diskreditiert

von OKE GÖTTLICH

Wer glaubt, dass die Wahlkampfzeit längst vorbei ist, sollte derzeit einen großen Bogen um das Millerntor machen. Zehn Tage vor der Jahreshauptversammlung, die am 25. Oktober ab 19 Uhr im CCH (Saal 2) stattfinden wird, gibt es hinsichtlich der Masse an Anträgen, die an diesem Abend bearbeitet werden müssen, Hamburgs zweiten Wahlkampf in diesem Herbst zu erleben. Vermutlich wird sogar ein Anschlusstermin von Nöten sein, um alle Tagesordnungspunkte durchführen zu können. Allerdings geht es dabei noch weniger transparent zu als in ähnlich anmutenden politischen Showdowns.

Aus diesem Grund hat sich die Geschäftsführung „verpflichtet gefühlt, über wesentliche Dinge auf unserer Website zu informieren“, wie Geschäftsführerin Tatjana Groeteke meint. Die an die Mitglieder ohnehin versendeten Anträge (unter anderem acht Abwahlanträge gegen Präsident Reenald Koch, zwei gegen Vizepräsident Christian Pothe und zwei gegen den Sprecher der Abteilung Fördermitglieder AFM Holger Scharf) wurden unter Angaben des vollständigen Namens unter www.fcstpauli.de gelistet und mit ihren Begründungen allen Interessierten zugänglich gemacht.

„Schön ist das nicht“, kommentiert Sönke Böhmermann, einer der Antragsteller, die offensive Transparenz. Man könne aber damit damit leben. Nicht nur Böhmermann weiß, womit er in diesem Club rechnen muss. Hier gelangt alles früher oder später in nicht unbedingt dafür vorgesehene Kanäle. Für die Geschäftsführung scheint diese Veröffentlichung ein ganz normaler Vorgang: „Wieso ungewöhnlich, die stehen doch wohl zu ihren Anträgen“, entkräftet Groeteke Bedenken.

Unterdessen wird in der Führungsetage des FC St. Pauli angesichts der Abwahlanträge gegen Präsident Reenald Koch und dessen Vize, Christian Pothe, um Mehrheiten gebuhlt. Die erreicht man beim FC St. Pauli derzeit am Besten, indem man handelnde Personen diskreditiert – am liebsten über die Medien.

Aktuell wird Aufsichtsrat Jost Münster im Hamburger Abendblatt für seine angeblichen internen schriftlichen Anmerkungen bezüglich der St. Pauli-Tochtergesellschaft, der Stadion-Betriebs GmbH, in die Mangel genommen. Ihm wird vorgeworfen, er habe damit seine Aufsichtsratskollegen vor einer möglichen Insolvenzverschleppung der GmbH gewarnt. Damit hätte er jedoch nur seine Aufgabe als Kontrolleur des Vereins erfüllt. Weshalb auf dieser Geschichte herumgeritten wird, obwohl viel interessanter ist, welche Personen erneut interne Briefe an die Medien weiterleiten, ist ein Geheimnis in diesen Wahlkampfzeiten.

Dass Münster im siebenköpfigen Aufsichtsrat, der mehrheitlich aus Koch-Befürwortern besteht, nicht sonderlich beliebt ist, zeigt sich in der Forderung von Ratsmitglied Peter Paulick. „Ich halte Herrn Münster für einen ehrenwerten Mann. Sollte er sich, wie mir inzwischen bekannt wurde, schlicht geirrt haben, würde mir auch eine öffentliche Richtigstellung genügen. Zum Wohle des Vereins.“

Warum diese Art der Kommunikation zwischen Aufsichtsratmitgliedern im Abendblatt stattfindet und nicht per Pressemitteilung richtiggestellt wird, weiß die satzungssichere Geschäftsführerin Groeteke: „In Vorgänge innerhalb des Aufsichtsrates mischen wir uns nicht ein.“ Da bleibt die ehemalige Springer-Journalistin resolut.