: berliner szenen Berlin/Bali
Unser täglich Terror
Schon als man Sonntagfrüh vom Terroranschlag auf Bali erfährt und die ersten Fernsehbilder sieht, dauert es nicht lange und es mischt sich Ärger in das Entsetzen: Die ntv-Sprecher, ihre zufällig auf Bali urlaubenden Reporter und auch Joschka Fischer fragen sich bange, wie viele Deutsche es wohl getroffen haben möge? Sind acht verletzt? Oder zehn? Ist unter den Toten gar ein Deutscher oder eine Deutsche?
Ja, auch Deutschland ist betroffen vom Terror auf Bali und überall auf der Welt. Da bekommt dann die ausführliche Berichterstattung ihre ultimativste Legitimation. Wenn Deutsche unter den Opfern sind, wird Terror erst richtig schlimm und erfahrbar. Trotz global village und global terror gibt es bekanntlich eine Opferklassengesellschaft. Sie unterteilt sich in solche aus Australien und solche aus Deutschland. Oder solche, die im WTC sterben, und solche, die irgendwo in Afghanistan sterben. Die einen haben Namen und Schicksal, die anderen gehören irgendwie zur Weltbevölkerung.
Klar, dass unser aller B.Z. unser Leid und insbesondere das der 190 Toten und ihrer Angehörigen auch nach Pankow und Wilmersdorf bringt: „Ist tote Deutsche aus Berlin?“, fragt sie bange auf der ersten Seite und informiert darunter nicht weniger bange mit Ausrufezeichen: „Noch 8 Deutsche vermisst!“ Und klar, dass sich auch Bild um die Deutschen sorgt und die Anschläge der letzten zehn Jahre insbesondere auf deutsche Touristen listet. Nur gut, das Berit aus Winkelhaid das Inferno überlebt hat. Das freut uns Bild-Leser doppelt und dreifach. Wenn sich dann noch herausstellt, dass die tote Deutsche nicht aus Berlin kommt, dann wird auch in den Wilmersdorfer und Pankower Wohnzimmern schon fast alles wieder gut. GERRIT BARTELS
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