american pie
: Nach Anaheim auch San Francisco in der World Series

Dream of Californication

Die Red Hot Chili Peppers sind wahrhaftig eine glühendheiße Nummer in diesen Tagen an der Westküste des nördlichen Amerika. „Californication“ heißt das Zauberwort, und es wäre schon ein Wunder, wenn der ensprechende Song spätestens am Ende der diesjährigen World Series der Major League Baseball nicht fest in das Hirn jedes halbwegs sportinteressierten US-Bürgers eingebrannt wäre. San Francisco Giants gegen Anaheim Angels heißt ab Samstag das gesamtkalifornische Duell.

Zuletzt hatten die Giants 1989 in der von einem schweren Erdbeben unterbrochenen Bay-Bridge-World-Series 0:4 gegen die Oakland Athletics verloren. Diesmal müssen sie etwas weiter reisen, da die A’s überraschend an den Minnesota Twins gescheitert waren, einem Team, das Baseball-Commissioner Bud Selig eigentlich schon wegen wirtschaftlicher Schwäche eliminieren wollte und welches später von einem anderen Streichkandidaten, den Engeln aus Anaheim, bezwungen wurde. Da diese schon vorher die übermächtigen und unverschämt reichen Yankees aus der New Yorker Bronx geschlagen hatten, war die allgemeine Schadenfreude groß. „Playoffs, die das Herz eines jeden Geizhalses erwärmen“, wie es ein Kolumnist ausdrückte.

Die San Francisco Giants allerdings gehören nicht zu den darbenden Teams, das zeigen allein schon die 20 Millionen Dollar, die sie in dieser Saison ihrem unumschränkten Star Barry Bonds zahlten. Der 38-Jährige bedankte sich nicht nur mit einer weiteren Homerun-Flut in der regulären Saison, sondern vollbrachte diesmal etwas, das ihm in seiner 17-jährigen Karriere nie gelungen war: er spielte gute Play-offs. Mit Benito Santiago bildete er ein geradezu teuflisches Duo. Da es die Gegner vermieden, den Ball zu Homerun-König Bonds zu werfen und ihm lieber einen Walk gestatteten, fand der nach ihm schlagende Catcher stets Bases vor, die mit mindestens einem Spieler – Bonds – besetzt waren. Santiago nützte dies so weidlich aus, dass er zum besten Spieler der Halbfinalserie gegen die St. Louis Cardinals gewählt wurde, welche die Giants am Montag mit dem 2:1 im fünften Match für sich entschieden.

In einem seltenen Gefühlsausbruch stürmte Barry Bonds nach dem entscheidenden Run als erster Jubler von der Bank. Eigentlich hatte sich der Giants-Star in seiner langen Laufbahn einen unerschütterlichen Ruf als ausgemachtes Ekel erworben – bei den Mitspielern, die er rüde behandelte, bei den Journalisten, die er noch rüder behandelte, und bei den Fans, denen er aus dem Weg ging. In den letzten Jahren haben sich seine Manieren aber ebenso verbessert wie seine Schlagkraft. Inzwischen ist er sogar Publikumsliebling im PacBell-Park von San Francisco. Ganz konnte er seine alte Natur aber nicht verleugnen. Der kollektiven Champagnerdusche entzog er sich geschickt, und den ihn belagernden Journalisten teilte er in alter Verbundenheit mit: „Ihr bereitet mir Kopfschmerzen.“

Kopfschmerzen bereitet Barry Bonds aber vor allem den Anaheim Angels, deren Erfolg inzwischen sogar Berühmtheiten wie John Travolta, Reese Witherspoon oder Kevin Costner auf die teuren Plätze im Edison Field lockt. Verkaufen will die Disney Company das Team jedoch nach wie vor, auch wenn Firmenboss Michael Eisner, besser bekannt in seiner Inkarnation als Lord Farquaad im boshaften Dreamworks-Trickfilm „Shrek“, jetzt in Aussicht stellte, einen Teil der Anteile zu behalten.

Wichtiger ist es für die meisten Baseball-Fans an der Westküste, dass der Titel endlich mal nicht im ungeliebten Osten, sondern auf jeden Fall bei ihnen landet. Gar zu kuschlig wird die Serie bei aller Californication aber trotzdem nicht werden. „Es ist, als wären es zwei verschiedene Staaten“, sagt Giants-Baseman J.T. Snow, „und ich verrate euch was: Die Leute hier mögen die in Südkalifornien nicht besonders.“ MATTI LIESKE