Schwäche demonstrieren

„Komeït“ und Masha Qrella meiden die Parole in Ton und Wort. Lieber suchen sie eine in sich stabile Zurückgenommenheit und zelebrieren das Unfertige

Was Masha Qrella und Komeït eint: Beide Namen haben zuletzt für Überraschungen gesorgt, indem sie über die strikten musikalischen Ansätze früherer Tage hinausgegangen sind. Masha Qrella löste vielerorts Erstaunen aus, weil sie auf ihrem soeben erschienenen Soloalbum Luck singt.

Bisher verband man mit der introvertierten Berlinerin den speziellen Instrumental-Pop der beiden Bands, in denen sie mitwirkt: Bei den Landschaftsrock-Slackern Contriva, die wie Masha solo und Komeït auf Gudrun Guts Monika-Label ihre CDs und auf Lok ihr Vinyl veröffentlichen, spielt sie Bass und Gitarre. Für die Innenstadt-Indie-Disco-Formation Mina steht sie am Keyboard. Da beide Gruppen so gut funktionieren, möchte sich Qrella mit ihrer frisch entdeckten Leidenschaft, dem Singen, lieber allein austoben. Luck ist voll von skizzenhaft gebliebenen Popsongs, wird durchwuchert von Brüchen, Rissen und gedämpften Stimmen, damit das Geschehen ja nicht überdeterminiert wird.

„Ich vermeide bewusst Parolen, die ich dann hinterher in letzter Konsequenz doch nicht vertreten kann. Aus dem Grund habe ich ja auch lange Zeit nur Instrumentalmusik gemacht“, bestätigt die 26-Jährige das Konzept der Platte. Wie die Neo-Sängerin operieren auch Julia Kliemann und Chris Flor mit der Erkenntnis, dass man Schwäche nicht unbedingt Radiohead-artigen „I‘m a Creep“-Jammerern überlassen muss. „Es geht um eine Weichheit und Zartheit, die in sich stabil ist. Darin liegt dann auch der Gegensatz zur Schwäche, die sich verletzlich gibt“, erörtert Flor eine vage zu erahnende Politik ihres Duos Komeït.

Ihre zweite Platte Falling Into Place ist im vergangenen Mai erschienen. In all jenen Publikationen, in denen die sich aus Elektroakustik, Folk und „Sie singen wieder!“ speisenden Idiosynkrasien von März und Turner zu Recht gefeiert werden, sind Komeït eher stiefmütterlich behandelt worden. Einzusehen ist das nicht. Mühelos halten sie im Songwriting mit den Genannten mit, konkurrenzlos gar sind Komeït in ihrer musikalischen Gegend bei der Auswahl von Sounds.

Dabei haben sie ihren radikalen Ansatz vom reinen Klang auf Falling Into Place bereits etwas modifiziert. „Unsere Stücke waren auf Komeït noch einen Tick nüchterner und konzeptueller. Es ging um Ideen von Songs. Sie sollten ohne Verlust, ohne Rauschen transportiert werden. Jetzt kümmern wir uns auch um die Sounds, die diese Songideen tragen.“ Flor stellt diese Öffnung hin zu konventionelleren Songstrukturen, hin zu Tonfarben und damit über den reinen Sinuston hinaus als schmerzhaften Prozess dar.

Doch erweist dieser sich als Gewinn für die Band und ihren Output. Inhalt und Form sind absolut nicht mehr zu unterscheiden bei dem Berliner Duo, der Sound geht über in die Melodie, die im Vergleich zu früher mehr Freiräume hat, sich zu bewegen. Im wahrsten Sinne des Wortes demonstrieren Komeït Schwäche, während Masha Qrella das Unfertige zelebriert.

Christoph Braun

Donnerstag, 21.30 Uhr, Astra Stube