Hafenmuseum ade?

Totgerechnet: Die Dépendance des Focke-Museums im Speicher XI

Die alte Idee eines Hafenmuseums war endlich in greifbarer Nähe

Aus der Traum für‘s Hafenmuseum. So scheint es jedenfalls, nachdem das Ergebnis der letzten Sitzung des Stiftungsrates des Focke-Museums durchsickerte. Die Kulturbehörde hatte zuvor die Kalkulationen des Museumsvorstandes von der „Kultur Management Bremen“ (kmb) prüfen lassen – und deren Rechnung ergab eine vermeintliche Differenz bei den Betriebskosten.

Ein Jahr ist es her, da blickten Jörn Christiansen, der Direktor des Focke-Museums, und Klaus Hübotter, Bremens Investor der etwas anderen Art, zuversichtlich in die Kameras. Die alte Idee eines Hafenmuseums im Speicher XI als Dependance des Focke-Museums rückte in greifbare Nähe.

Es gab vier Gründe für den Optimismus: Erstens die günstigen Konditionen, zu denen Speicher-Bauherr Hübotter die Räumlichkeiten in den ersten drei Segmenten des 400 Meter langen Riegels anbot: Mietfreiheit und Übernahme eines Großteils der Betriebskosten auf 15 Jahre für die Museumsflächen. Zweitens die Zusage des Wirtschaftssenators, den museumsgerechten Ausbau und Teile der Einrichtungskosten zu übernehmen (5,7 Millionen Mark). Drittens die Akquirierung von 330.000 Mark von privaten Sponsoren, durch die die Restbetriebskosten nach der Rechnung des Museums für fünf Jahre abgedeckt gewesen wären. Viertens war für die Gestaltung der Ausstellung eine Kooperation mit der Hochschule für Künste vereinbart, die ja in den hinteren Teil des Speichers einzieht: ein Beispiel nachbarschaftlicher Synergien.

Auch für den Fall, dass nach fünf Jahren keine neuen Sponsorengelder zur Verfügung stünden, hatte sich das Museum Gedanken gemacht. Dann hätte die Einrichtung als „stilles Museum“ weiter existieren können, das heißt, die Räume würden auf Anfrage geöffnet. So wäre sichergestellt, dass das Hafenmuseum weitere 15 Jahre ohne Folgekosten in der Stiftung Focke-Museum hätte verbleiben können.

Das klang alles gut und fand auch in der Öffentlichkeit viel Resonanz: ein fast klassischer Fall einer Public-Private-Partnership, wie sie heute so gern von Modernisierern gefordert wird. Vom Gesamtkonzept her wichtig war außerdem, das Museum auf dem Terrain der neuen „Übersee-Stadt“ in ein „Kulturforum“ einzubinden. Als Mitnutzer im Gespräch: Rundfunkmuseum, Designzentrum und ein geplantes Zentrum für Baukultur.

Nun aber hat der Stiftungsrat des Focke-Museums, der unter Vorsitz von Kultursenator Kuno Böse tagte, in einem nicht einstimmigen Votum der KMB-Rechnung mehr Glauben geschenkt. Man befürchtete offenbar, dass die angeblichen roten Zahlen ans ohnehin defizitäre Haupthaus weitergereicht würden und entschied sich, vom Projekt Hafenmuseum Abstand zu nehmen. Damit hat der Rat de facto auch entschieden, das oben skizzierte „Geschenk“ in Höhe von rund acht Millionen Mark auszuschlagen.

In Windeseile hat sich der Beschluss in der Bremer Kulturszene herumgesprochen und für Kopfschütteln gesorgt. Man weiß ja, ist zu hören, mit welcher Dispositionsbreite des kaum Wägbaren solche Kalkulationen gewöhnlich operieren – siehe Space Park. Aber beim Low-Budged-Projekt „Hafenmuseum“ hielt man das finanzielle Risiko offenbar für untragbar. Das lässt Vermutungen (und Erinnerungen) sprießen: Die Diskussion um die Neunutzung des Hafenareals ist ein beliebtes Schlachtfeld der Bremer Politik – sie wurde jahrelang von den privatwirtschaftlichen Interessen der Anrainer blockiert.

Auch im Zusammenhang mit der geplanten Bewerbung Bremens um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2010 wirkt die Nachricht für viele unverständlich: Mit der hier praktizierten Verhinderungspolitik wird, um eine überschaubare finanzielle Unsicherheit zu vermeiden, ein beträchtliches kulturpolitisches Risiko eingegangen: Die Politik konterkariert die eigenen Konzepte für die Kulturhauptstadts-Bewerbung: In ihnen wird die „Bürgerstadt Bremen“ beschworen, deren Kultur maßgeblich von der tatkräftigen Initiative seiner Bürger geprägt wurde und wird – wenn man sie denn ließe.

Eberhard Syring