austrias rache von JOACHIM SCHULZ
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Klar, heute denke ich: Mann, das musste ja so kommen! Seit jeher gelte ich als unerbittlichster Österreich-Kritiker des Kontinents, und niemals habe ich einen Fuß in das Land gesetzt, das den Opernball und den Ersten Weltkrieg erfunden hat. In meiner furiosesten Phase habe ich dafür plädiert, den Alpenstaat bis an die Großglocknerspitze mit Beton aufzufüllen, und gern habe ich ein Bonmot meines Freundes Christian – übrigens selber Wiener – in meinen privaten Merkspruchfundus übernommen:

„Der Homo austriacus hat nur zwei Kulturleistungen von historischer Bedeutung zustande gebracht: Nämlich die Welt glauben zu machen, dass erstens Beethoven Österreicher und zweitens Hitler Deutscher gewesen sei.“ Nichtsdestoweniger hätte ich es nie für möglich gehalten, dass auch Länder nach Rache dürsten können. Insofern war ich ganz begeistert, als mir mein Teamgenosse Jurek eine Einladung zum „1. Internationalen Bahía de Cochinos Beachvolleyball-Turnier“ in Innsbruck unter die Nase hielt. Flugs schworen wir uns, trotz unserer angegilbten Jugendlichkeit den Cup zu gewinnen, und weil sich überdies unsere beiden Liebsten bereit erklärten, uns zu begleiten und mit frenetischen Schlachtgesängen anzufeuern, stand unserem grandiosen Sieg nichts im Weg.

Zumindest bei den Vorbereitungen lagen wir mit dieser Prognose absolut richtig: Die Nächte waren kurz, die Gläser allzeit gefüllt, und stets hatte die Stimmung ein „Carpe diem – wer weiß, ob wir morgen noch leben“-Aroma. Nicht ganz so zutreffend allerdings war unsere Voraussage in sportlicher Hinsicht. Zwar endete unsere Turnierteilnahme nicht in einem niederschmetternden Fiasko; indessen haben wir die Volleyballgeschichte auch nicht gerade um ein Exempel höchster Spielkunst bereichert, und am Ende sind wir wohl nur deshalb Dritter geworden, weil wir uns mit „The bad and the ugly“ einen derart Furcht einflößenden Mannschaftsnamen gegeben hatten, dass nur die wenigsten unserer Gegner es wagten, uns zu schlagen.

Austrias Rache aber war das noch nicht, denn selbstverständlich beschränkte sich das perfide Alpenland nicht darauf, einen lang gesuchten Missetäter mit einer bloßen Kopfnuss abzustrafen. Stattdessen hatte es auf dem Volleyballfeld ausgesucht fiese Keime und Erreger zusammengezogen und mir eine Schürfwunde am Knie beigebracht, die anfangs so winzig war, dass ich sie kaum bemerkte.

Kaum aber waren wir wieder in der Heimat, zog sich vom Knie bis in die Leiste ein leuchtend roter Streifen hinauf, und wenn ich diese Zeilen trotzdem nicht in ein himmlisches Diktafon texten muss, dann nur deshalb, weil Österreich der einzige Staat der Erde ist, der die Entdeckung der Antibiotika verschlafen hat und infolgedessen nicht weiß, dass eine gehörige Ladung Cefuroximaxetil gegen ungebetene Eindringlinge im menschlichen Körper genauso unnachsichtig vorgeht wie die glorreiche Rote Armee, die einer Rotte von Konterrevolutionären nachsetzt. Österreichischen Konterrevolutionären, versteht sich.