herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ über mafiable Prototypen

Betonschuhe für Banker

Wenn mal einer der Mafia nicht in den Kram passt, kann es vorkommen, dass er sich mit einem Betonklotz an den Füßen oder sonstwie beschwert im nächsten Hafenbecken wiederfindet. Nun ist die Motorsportshow Formel 1 ganz sicher keine Mafia-Unternehmung und ihr Vermarkter und Impressario Bernie Ecclestone bestimmt kein Mafia-Pate.

Trotzdem erinnert eine Maßnahme, die Ecclestone jetzt der Formel 1 aufdrücken will, durchaus an jene sizilianisch-brutale Methode mit den Betongewichten, mit denen die Mafia Verräter, Falschspieler und sonstwie unbotmäßige Leute in die ewigen Hafenbeckengründe zu schicken pflegt.

Bernie Ecclestone will Formel-1-Piloten, die ihm offenkundig nicht in den Kram passen, ebenfalls ein paar kiloschwere Gewichte anhängen und sie so bepackt zwar nicht ins Wasser, aber in die nächsten Rennen schicken.

Den Anlass für seinen mafiablen Vorschlag lieferte Ecclestone die soeben beendete Formel-1-Saison, die bekanntlich erneut der nunmehr fünfmalige Weltmeister Michael Schumacher und sein Rennstall Ferrari übermächtig dominierten und damit die Motorsportler ennuierten.

Bereits nach 11 von 17 Läufen war die WM für ihn und die Ferraristi entschieden. Worauf sich freilich beim gemeinen Formel-1-Publikum eine bohrende Langeweile und ein desaströses Desinteresse ausbreiteten, was wiederum die Sponsoren und sonstigen Zahlemänner der Formel 1 ganz muksch und knauserig machte.

Um solch eine spannungshemmende und kassengiftige Dominanz einzelner Piloten oder Teams künftig ausbremsen zu können, will Ecclestone, dass ab der Rennsaison 2003 die Fahrzeuge der jeweils führenden Fahrer im Weltmeisterschafts-Klassement mit zusätzlichen Gewichten belastet werden. Nur so könne die langweilig hinterherknöternde Konkurrenz wieder ins Rennen, mehr Kitzel in die Show und die Kassen wieder zum Klingeln gebracht werden.

Dass damit mal eben die sportlichste aller Sportregeln außer Kraft gesetzt würde, nach der der Beste gewinnt und nicht etwa bestraft wird – geschenkt! Solche hehren olympischen Ideale werden heutzutage schließlich allgemein als eher hinderlich für den Sport angesehen, und das gilt nicht nur für so Hully-Gully-Disziplinen wie das Golfen, den Zwergenweitwurf oder eben die Formel 1.

Bemerkenswert ist Ecclestones Regulierungsvorschlag aber insofern, dass er ausgerechnet von der Spitzenkraft einer Sportart gemacht wird, die gemeinhin als die Geld und Ressourcen verschleuderndste, als die brutalste, lauteste, überflüssigste und damit als die kapitalistischste von allen gilt. Die sich zudem als Experimentierfeld, Ideenlieferant und Innovationsmotor für die gesamtwirtschaftlich so bedeutende Autoindustrie begreift und folglich auch ein Impulsgeber gewissermaßen ist für das große Ganze.

Zeichnet sich also mit Ecclestones Vorschlag für den Rennsport ein Paradigmenwechsel ab, der zunächst von der Autoindustrie und bald auch von der gesamten Wirtschaft vollzogen wird? Werden demnächst die deutschen Großkonzerne, die alles kurz- und kleinfusionierenden Globalplayers gleichfalls mit Gewichten behängt, um die Sache auch für die Globalloser und Börsencrasher wieder offener und überhaupt die ganze Chose wieder etwas konjunkturbelebender zu gestalten? Man wird sehen.

Bliebe noch die Frage nach der praktischen Umsetzung. Wie Rennautos zusätzlich beschwert werden, kann man sich vorstellen. Wie aber hängt man Konzernen oder Banken Gewichte an? Um bei der mafiosen Methodik zu bleiben, schlage ich vor, sie deren Eigentümern, Großaktionären, Vorständen und Managern höchstselbst aufzuhalsen. Und sei es nur wegen der auch symbolisch sicher sehr wertvollen Aussicht, dass man dann Typen wie den Bankier Breuer, die Quandts oder Familie Mohn ständig mit schweren Eisenkugeln an den Beinen, mit Betonschuhen oder einem Gullydeckel um den Hals herumlaufen sähe.

Man muss sie ja nicht gleich ins nächste Hafenbecken schubsen.

Fotohinweis: Fritz Tietz ist 43 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.