Fortuyn dreht sich im Grabe um

Nach nur 85 Tagen im Amt zerbricht Hollands Regierung an den internen Querelen bei den Rechtspopulisten. Würde heute gewählt, würde die im Mai so erfolgreiche Partei des ermordeten Pim Fortuyn über 80 Prozent ihrer Stimmen verlieren

von HENK RAIJER

Nur aus Pietät gegenüber Königin Beatrix, die an diesem Tag ihren Mann zu Grabe trug, war es nicht schon am Dienstag zum Bruch gekommen. Gestern jedoch war die Geduld des niederländischen Ministerpräsidenten mit dem „Affentheater“ beim Koalitionspartner LPF zu Ende: Der Christdemokrat Jan Peter Balkenende gab den Rücktritt des Kabinetts bekannt und bot dem Staatsoberhaupt seine Demission an – nach nur 85 Tagen im Amt.

Der Premier war nach der wochenlangen Führungskrise in der Partei des kurz vor den Parlamentswahlen vom 15. Mai ermordeten Politikers Pim Fortuyn nicht mehr bereit, sein von Anfang an brüchiges Regierungsbündnis aus Christdemokraten (CDA), Rechtsliberalen (VVD) und Rechtspopulisten (LPF) noch länger dem Gespött der Holländer auszusetzen. „Wir brauchen eine stabile Regierung“, hatte Balkenende noch am Dienstag gesagt. Nach Auffassung der Fraktionschefs von CDA, VVD und PvdA, der sozialdemokratischen Oppositionspartei, sind Neuwahlen unumgänglich, sie könnten am 11. oder 18. Dezember stattfinden.

Von Anfang an hatte die Fortuyn-Partei das Ansehen der Regierung durch parteiinternen Postenschacher, Stümperei und Gezänk belastet. Die wegen interner Zwistigkeiten bei der LPF seit Wochen schwelende Regierungskrise war gestern früh in eine Stromschnelle geraten, als Gesundheitsminister Eduard Bomhoff der Aufforderung Balkenendes zum Rücktritt Folge leistete und kurz darauf auch dessen Intimfeind aus der eigenen Partei, Wirtschaftsminister Herman Heinsbroek, auf Druck das Kabinett verließ. Die beiden LPF-Minister hatten seit Wochen kein Wort mehr miteinander geredet und sich wiederholt über die Medien gegenseitig Inkompetenz vorgeworfen.

„Was sich da in der LPF vollzieht, berührt die Position des Kabinetts“, hatte Balkenende noch am Dienstag gewarnt. „Das muss ein Ende haben.“ Der Streit der beiden LPF-Minister, der gestern nur Stunden vor der Rücktrittsankündigung zum Sturz des neuen Fraktionschefs der LPF, Harry Weinschenk, und zur Wiedereinsetzung seines Vorgängers Mat Herben führte, hatte die Regierungsarbeit in Den Haag seit Wochen gelähmt.

Die Wähler, die noch im Frühjahr große Hoffnungen in Pim Fortuyn setzten, haben sich laut Umfragen längst verabschiedet: Würde heute gewählt, müsste die bei der Abstimmung im Mai erstmals angetretene und mit 18 Prozent überaus erfolgreiche zweite Garde Fortuyns 23 ihrer 26 Sitze wieder abgeben. Der gerade als Fraktionschef wiedergewählte Herben betonte gestern in einer ersten Reaktion, er schäme sich für diesen Ausgang. „Das ist wie wenn man ein Endspiel durch Elfmeterschießen verliert.“