Bahn setzt auf Masse statt Klasse

Mit neuen Preisen will Mehdorn Kunden werben. Auf dem Logistik-Kongress in Berlin gibt sich DB-Chef zuversichtlich

BERLIN taz ■ Schneller, weiter, öfter – Logistik liegt im Trend. Auch bei Bahnchef Hartmut Mehdorn, der sich für die Zukunft mal wieder sehr zuversichtlich gibt.

Das mag am neuen Preissystem der Bahn liegen, mit dem sich das Unternehmen einen Schritt weiter von der Staatsbahn weg und hin zur Privatwirtschaft bewegt: Pure Preispolitik, nicht etwa gesamtgesellschaftliches Bewusstsein, bestimmt das Wirtschaftsdenken bei der Bahn. Mit neuen Preisen neue Zielgruppen, wie etwa Familien und langfristige Planer, an sich binden zu wollen, ist aber auch finanziell ein Risiko: Ob die Preisreform nun ein glänzender Neustart wird oder nur ein aufwändiger Versuch mehr, mit Reißbrettplänen über faktische Schwächen hinwegzutäuschen, bleibt abzuwarten.

Auf dem 19. Logistik-Kongress im Hotel Inter Continental in Berlin war gestern zu erfahren, dass sich die zusätzlichen Ausgaben bei der Bahn dieses Mal in Euro und nicht nur in der Statistik niederschlagen sollen. „Nach der europäischen Währung“ halte nun „die europäische Kultur“ in Deutschland Einzug, so Bahnchef Hartmut Mehdorn. Er plauderte bei einer Podiumsdiskussion aus dem Nähkästchen. Und blieb doch, wie so oft in den Krisen der letzten Jahre, von geradezu unrealistischer Zuversicht.

Mit 53 Milliarden Euro ist Mehdorns Haushalt nicht eben klein. Mit ihren neuen Konzepten will die Bahn mehr Gewinn erwirtschaften – Mobilität sei ein genereller Erfolgsfaktor, so der Tenor. Doch ist dem wirklich so? Dass die Bahn von der Steuer befreit werden muss, um weiterhin zu existieren, wertet Mehdorn nur als „Gleichziehen“ mit anderen Ländern wie Frankreich und Spanien. Und „keinesfalls ein Privileg“ sei es auch, wenn die Bahn zum Beispiel am Frankfurter Flughafen mit gleich drei verschiedenen Bahnhöfen überproportional vertreten ist.

„Futterneid ist fehl am Platze“, so Mehdorn selbstzufrieden. Er sagt dem freien Wettbewerb gern ade: Wo die Bahn Vorrang habe, müsse deshalb selbstverständlich „auf den Ausbau von Autobahnen und Wasserstraßen verzichtet werden“. Das sei die einzige „integrierte Lösung“, die vorliege: Nur so sei „eine beschleunigte Mobilität in allen Bereichen“ zu gewährleisten, meint Mehdorn.

Aber ist dies als Ziel noch angemessen? Ist stringentes Wachstum im Sinn des „schneller, weiter, immer öfter“ in einer ökologiebewussten, von Konsumrückgang geprägten Ära nicht doch ein überholtes Wirtschaftsmärchen? Mehdorn setzt weiter auf mehr Fahrgäste, und dem sind auch die neuen Tarife unterworfen. Masse statt Klasse, so heißt des Bahnchefs Zauberwort.

Zumindest im Güterbereich geht dieses Konzept nicht auf: Dort wurden im ersten Halbjahr diesen Jahres rund drei Prozent Güter weniger transportiert als im Vorjahr. GISELA SONNENBURG