Klimahandel weiter vertagt

EU-Länder einigen sich wieder nicht auf ein System zum Handel von Emissionen der Industrie. Deutschland fällt unangenehm als Bremser auf. Der Vorschlag der Kommission zu den Treibhausgaszertifikaten lässt allerdings noch viele Frage offen

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Fast eine ganze Seite haben SPD und Grüne in ihrer Koalitionsvereinbarung dem Klimaschutz gewidmet. „Die Bundesregierung unterstützt die Einführung eines Emissionshandelssystems in Europa“, heißt es da klipp und klar. Wenn heute die Umweltminister in Luxemburg zusammensitzen, wird von deutscher Seite ein so eindeutiger Satz nicht zu hören sein – schon deshalb nicht, weil weder Minister Trittin noch eine seiner Staatssekretärinnen anreisen.

Ein Beamter wird die deutsche Delegation leiten und den Unmut der Ministerkollegen abbekommen. Denn im Kreis der europäischen Staaten fallen die Deutschen als industriefreundliche Blockierer ökologischer EU-Politik unangenehm auf.

Mit ihrer ausdrücklich als Pilotprojekt geplanten Richtlinie zum Emissionshandel will die Kommission das System in einigen ausgewählten Branchen – Stahl, Zement, Papier, Keramik und Energieerzeuger – und nur mit einem der sechs Treibhausgase – Kohlendioxid – ausprobieren. Europaweit wären zunächst etwa 6.000 Betriebe betroffen, davon ungefähr 1.000 in Deutschland.

Die deutsche Industrie fürchtet nun, dass ihre Vorleistungen im Brüsseler Bürokratendschungel untergehen. Denn seit 1990 haben das Firmensterben in Ostdeutschland sowie freiwillige Vorleistungen der Betriebe dazu geführt, dass die CO2-Emissionen um 19 Prozent reduziert werden konnten. Laut internationaler Klimaschutzvereinbarung muss Deutschland 21 Prozent Reduktion bis 2012 erreichen – der Löwenanteil ist also geschafft.

Zu gern hätte die dänische Ratspräsidentschaft die leidige Debatte über den besten Weg zum Klimaschutz heute mit einem gemeinsamen Standpunkt vorläufig abgeschlossen. Nun gibt es auf Wunsch der deutschen Delegation eine weitere „Orientierungsaussprache“, da der dänische Kompromissvorschlag nicht „beschlussreif“ sei. Großbritannien, Italien und Luxemburg haben sich dieser Sicht angeschlossen.

Bei der ersten Lesung im Europaparlament letzte Woche waren deutsche Abgeordnete aus fast allen Fraktionen als Bremser aufgetreten. Beobachter hatten das starke Gefühl eines Déjà-vu – denn auch bei der Altautorichtlinie, bei Genpflanzen oder umweltschädigenden Chemikalien hatte eine „große Koalition“ deutscher Abgeordneter Umweltkommissarin Wallström auszubremsen versucht.

Tatsächlich ist der Entwurf zum Emissionshandel aus ihrer Generaldirektion Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Er wirft viele Fragen auf: Nach welchem Schlüssel werden Emissionszertifikate, also Berechtigungsscheine zum Ausstoß von Kohlendioxid, an die Mitgliedsstaaten und dann weiter an die Unternehmen verteilt? Was sollen die Zertifikate kosten? Was geschieht mit den Scheinen von stillgelegten Anlagen? Müssen Betreiber neuer Industrieanlagen von Anfang an alle Zertifikate kaufen oder erhalten sie eine „Grundausstattung“ kostenlos?

Der Kompromissvorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft sieht vor, dass in der ersten Phase von 2005 bis 2007 die Berechtigungsscheine kostenlos zugeteilt werden. Von 2008 bis 2012 müssen sie gekauft werden. Über den Preis entscheidet die Kommission gemeinsam mit einem Ausschuss der Mitgliedsstaaten. Die neue Bundesregierung fordert dagegen in ihrer Koalitionsvereinbarung, dass „die Emissionsrechte dauerhaft kostenlos zugeteilt werden“. Angeblich wollen sich die Minister am 9. Dezember in der nächsten Sitzung zu einem gemeinsamen Standpunkt durchringen. Angesichts der Vorbehalte der Deutschen wird sich dieser Zeitplan aber kaum halten lassen.

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