Raus damit

Er rockt, verausgabt sich und wird von allen geliebt: Heute wird Marco Haas alias T. Raumschmiere in der Volksbühne für unangenehmes Klingeln in den Ohren sorgen

Schick aussehen gehört bei den Dienstleistern der Technobranche schon dazu. Kölner DJ-Adlige wie Michael Mayer oder Superpitcher zelebrieren ihr Hochamt bevorzugt in stets gebügelten Seidenhemdchen und DJ Hell bringt in Gucci und Armani den Müll runter. Marco Haas aka T.Raumschmiere ist da anders: Am liebsten steht er oben ohne auf der Bühne. Marco Haas ist eine richtige Punk-Rave-Sau. „Wenn ich da oben stehe, muss ich einfach alles geben“, beschreibt er den inneren Zwang, bei seinen Live-Sets mehr zu bieten als Knöpfchendreherei.

Haas rockt, verausgabt sich, liefert eine Show, und deshalb wird er derzeit von allen so geliebt. Wenn du den auf deiner Party stehen hast, kann nichts mehr schief gehen. Marco Haas aber ist nicht nur on stage ein Arbeitstier, eine Art Henry Rollins in der Spargeltarzan-Ausgabe, sondern auch in seinem Day-Job. Mit Shitkatapult betreibt er ein Label, das immer besser läuft und auf dem bevorzugt befreundete Berliner Acts wie Apparat, Kyborg oder Rechenzentrum ihren Kram raushauen können. Sein Büro hat Merco Haas, der selber in Friedrichshain wohnt, in der Kastanienallee im Prenzlauer Berg. Teilen tut er es sich mit Daniel Meteo, der das Dublabel Meteosound betreut und selbst als Bus Neo-Dub produziert, und mit Marc Weiser von Rechenzentrum.

Mit ihm ein Interview zu führen, ist nicht eben leicht. Ein Gespräch ist locker drin, eine Plauderei über dies und jenes, doch sobald es darum geht, die Motivation für das eigene Tun zu erläutern, läuft der Beantwortungsapparat von Marco Haas eher niedrigtourig. Er macht halt was er macht, und für das Erklären tieferer Beweggründe ist er sich selbst nicht Psychologe genug. Immerhin, ein paar Dinge kann man dann doch aus ihm herauskitzeln: Den Namen T.Raumschmiere etwa hat er aus einer Erzählung von William S. Burroughs, „die ziemlich abgefahren war, aber der Begriff Traumschmiere blieb hängen.“ Das T wurde vom Rest kurzerhand abgetrennt, um die Illusion zu erzeugen, es hier mit einem gekürzten Vor- und einem vollen Nachnamen zu tun zu haben. Warum sein Label so heißt, wie es heißt, ist schon komplizierter, oder einfacher, je nach dem. Was bedeutet Shitkatapult? „Na, übersetz halt!“ “Scheißeschleuder?“ Bingo! Ein Labelname, der, so Haas, für die einfache Formel steht: „Der Scheiß muss raus.“Zurück geht dieses ausgeklügelte Labelkonzept auf seine Zeit in Heidelberg, wo er in ein paar Punkcombos auf Schlagzeugfelle eindrosch und Platten aufnahm, die halt irgendwo raus mussten.

Auch in Berlin spielt Marco Haas in ein paar Punkrock-Bands, doch vor allem macht er inzwischen Techno, wofür auch sein Label ausschließlich zuständig ist. Der alte aber Punkspirit blieb erhalten. Um das zu verdeutlichen heißt die eben erschienene Werkschau mit Maxis von T. Raumschmiere auch ganz einfach: “The Great Rock‘n‘Roll Swindle.“ Eine enorm platte Referenz, aber eben typisch raumschmieristisch.

Es gibt aber nicht nur eine aktuelle T.Raumschmiere-Compilation, sondern auch gleich noch einen Longplayer von ihm. Ein Doppelschlag sozusagen. “Anti“, sein erstes Artist-Album erscheint auf Hefty, einem Chicagoer Label, das sich ansonsten eher um Feingeistiges in den Sektoren Postrock und Hip Hop kümmert. Es gibt sogar hörbare Unterschiede zwischen beiden Platten. Seine Maxis klingen so, wie sie heißen: „Zartbitter“, oder nach „Ravemusick“ und „Nietenbolzen“. T.Raumschmieres Markenzeichen, ein Knarzen, das für unangenehmes Klingeln in den Ohren sorgen soll, kommt hier voll zum Einsatz.

„Anti“ dagegen setzt auch auf Listening- Elemente, das Album kann man auch zuhause auf dem Sofa zum Rotwein hören. Warum aber „Anti“? “Anti“ gegen was überhaupt? „Gegen alles mögliche, ich bin ja prinzipiell eher so ein skeptischer Mensch.“ Wieder so ein Marco-Haas-Satz. Auf seiner Mütze, die er gerade trägt, steht: „Anti Hero“.

ANDREAS HARTMANN

T. Raumschmiere: „The Great Rock ‘n‘ Roll Swindle“ (Shitkatapult/Kompakt); „Anti“ (Hefty); T. Raumschmiere tritt heute ab 24 Uhr mit Rechenzentrum im Rahmen von „Club Neustadt“ in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz auf