Hochangereichertes Geständnis

Nordkoreas Regierung gibt in Gespräch mit US-Diplomaten überraschend zu, an Atomwaffen zu bauen. Die mit dem Irak beschäftigte US-Regierung behält das Eingeständnis zunächst für sich und hält sich mit Drohungen gegenüber Pjöngjang zurück

aus Peking JUTTA LIETSCH

Die Friedensbemühungen auf der koreanischen Halbinsel sind erneut bedroht: Das nordkoreanische Regime hat erstmals eingeräumt, seit Jahren heimlich Atombomben zu entwickeln. Dies wurde erst jetzt bekannt, obwohl nordkoreanische Politiker bereits Anfang Oktober gegenüber dem US-Gesandten James Kelly in Pjöngjang bestätigten, dass ihr Land Waffen mit hochangereichertem Uran entwickelt.

Wie US-Außenamtssprecher Richard Boucher am Mittwoch in Washington erklärte, hatten die Nordkoreaner zugleich gewarnt, sie hätten „noch stärkere Waffen“. Die Regierung in Pjöngjang habe außerdem gesagt, sie erkenne ein 1994 mit den USA unterzeichnetes Abkommen nicht mehr an, laut dem sie ihr Atomprogramm eingefroren hatte.

Welche Folgen das Geständnis Nordkoreas für die Region haben wird, war zunächst nicht abzusehen. Washington, das mit dem Irak beschäftigt ist, hielt sich zunächst mit Drohungen zurück. Die USA werden sich „mit Freunden und Verbündeten“ in Asien beraten, um eine „friedliche Lösung der Situation“ zu erreichen, kündigte Boucher an. Auch aus Nordkoreas Nachbarländern, die derzeit versuchen, das wirtschaftlich bankrotte Regime Kim Jong-Ils zu Reformen zu überreden, drangen vorsichtige Töne: Seoul, Tokio und Peking riefen zu „Verhandlungen“ auf. Der Norden müsse sich an das Abkommen von 1994, an den Atomwaffensperrvertrag und die innerkoreanische Erklärung über eine atomwaffenfreie Halbinsel halten, forderte ein südkoreanischer Sprecher. Gleichzeitig versuchte die Regierung in Seoul, dem Eingeständnis etwas Gutes abzugewinnen: Dies zeige, dass der Norden das Problem „auf dem Weg des Dialogs“ lösen wolle, sagte Präsidentenberater Yim Sung Joonss. China rief ebenfalls zu einer „friedlichen Lösung“ auf. „Wir haben immer die Abschaffung von Atomwaffen sowie den Erhalt von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel unterstützt“, sagte eine Regierungsprecherin.

Trotz der katastrophalen Wirtschaftslage hat Pjöngjang nach Ansicht von Experten sein Atom- und Chemiewaffenprogramm stets weiter geführt. Nordkorea, dessen Regime dem Volk bis heute einbläut, der Koreakrieg (1950–1953) sei nicht zu Ende, besitzt große Uranvorräte und ist beim Bau von Bomben mit hochangereichertem Uran nicht auf ausländische Hilfe angewiesen.

1993 hatte der damalige Präsident Kim Il-Sung den Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag angekündigt – was zur letzten großen Krise zwischen den USA und Nordkorea führte. Unklar bleibt zunächst, ob das 1994 geschlossene Abkommen nun „null und nichtig“ ist, wie Pjöngjang verkündet hat. Möglicherweise wollte der unberechenbare Kim Jong-Il wieder einmal bluffen, um noch mehr Geld herauszuschlagen: 1994 hatte sich Nordkorea verpflichtet, ein Atomkraftwerk und eine Wiederaufbereitungsanlage stillzulegen, in der waffenfähiges Plutonium hergestellt werden konnte, und internationale Atomkontrolleure ins Land zu lassen.

Im Gegenzug verpflichteten sich die USA, Südkorea, Japan und die EU zwei moderne Leichtwasserreaktoren in Nordkorea zu bauen. Der Bau der Kraftwerke, die ursprünglich 2003 fertig sein sollten, begann erst vor zwei Monaten. Inzwischen hat Seoul, das den Großteil der geschätzten 4,6 Milliarden Dollar zahlen soll, eine Milliarde investiert.