Viel Rauch um Deutschland

Bei der Verabschiedung einer Anti-Tabak-Konvention durch die Weltgesundheitsorganisation blockiert die rot-grüne Regierungskoalition schärfere Bestimmungen – und macht sich lächerlich. Deutschland bekommt Antipreis

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Die rot-grüne Regierung lehnt das von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und zahlreichen Staaten geforderte Verbot der Tabakwerbung ab. Begründung: Ein solches Verbot verstoße gegen das Verfassungsprinzip der Redefreiheit. Wegen dieser Position, die der Vertreter der Bundesregierung bei den Anfang dieser Woche eröffneten Verhandlungen über eine Anti-Tabak-Rahmenkonvention in Genf präsentierte, wurde die Bundesregierung gestern von der internationalen Koalition tabakkritischer Nichtregierungsorganisationen, zusammengefasst in dem Bündnis Natt, mit dem so genannten Marlboro-Mann-Preis ausgezeichnet.

Die Genfer Verhandlungen finden statt vor dem Hintergrund neuer alarmierender Erkenntnisse der WHO. Danach hat der Tabak seine Rolle als weltweit führender Killer – noch vor Aids – weiter ausgebaut. Fast fünf Millionen Menschen sterben nach jüngsten Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation jährlich an den direkten Folgen des Rauchkonsums.

Vor zwei Jahren ging die WHO noch von vier Millionen Tabaktoten pro Jahr aus. Ohne entschiedene Gegenmaßnahmen würden, so die Prognosen der WHO-Experten, bis zum Jahre 2020 mindestens zehn Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums sterben.

Zu den von der WHO geforderten Gegenmaßnahmen gehört ein striktes Verbot aller Formen der Werbung und Promotion für Zigaretten, außerdem eine drastische Erhöhung der Steuern und Verkaufspreise für Tabakwaren. Diese und andere Maßnahmen sollen in einer internationalen Anti-Tabak-Konvention vereinbart werden.

Die bis Ende nächster Woche anberaumte Genfer Verhandlungsrunde ist bereits die fünfte seit November 2000. Im Mai 2003 soll die Konvention von der WHO-Jahresversammlung verabschiedet werden. Sie tritt dann in Kraft, wenn sie von mindestens 30 Ländern ratifiziert ist. Die Koalition der Nichtregierungsorganisationen kritisiert einen „zunehmenden, schädlichen Einfluss von Philip Morris, Marlboro und anderen großen Tabakkonzernen auf die Verhandlungen“.

Unter dem Einfluss dieses Tabakkartells hätten Länder wie die USA, Japan, Deutschland und die Schweiz den Entwurf für die Konvention seit der letzten Verhandlungsrunde in wesentlichen Punkten verwässert.

Tatsächlich sind in dem neuen Entwurf für die Konvention, den der brasilianische Konferenzvorsitzende Luis Felipe De Seixas zu Beginn dieser Woche vorlegte, eine ganze Reihe von Punkten unverbindlicher formuliert als in früheren Entwürfen. Das gilt für das Werbe-und Promotionsverbot für Tabakwaren und die Vorschriften für die Entschädigung von Tabakopfern. Wo in früheren Entwürfen eindeutige Vorschriften definiert waren, finden sich in dem jüngsten Entwurf zumeist unverbindliche Sollbestimmungen.

Die NGOs kritisieren, dass Deutschland bereits im Vorfeld dieser Verhandlungsrunde verhindert hat, dass sich die EU auf ein striktes Werbe-und Promotionsverbot für Zigaretten einigt. Mangels einer gemeinsamen Haltung in dieser und anderen Fragen wurde in der EU entschieden, dass die 15 Mitgliedsstaaten bei dieser Verhandlungsrunde mit ihren jeweiligen nationalen Positionen auftreten. Eine von Irland angeführte Gruppe von 24 europäischen Staaten sprach sich gestern entschieden für ein striktes Verbot aus und verwarf die von der Bundesregierung vorgebrachte Unvereinbarkeit mit der Redefreiheit.