Schwarz-Schill knirscht

Streit über Verfassungsschutzgesetz verschärft sich: CDU-Chef Fischer will dafür kämpfen, Fraktion geht auf Distanz. FDP will liberale Butter auf dem Schwarzbrot

Der Streit über das geplante neue Hamburger Verfassungsschutzgesetz nimmt an Schärfe zu. Deutlich wurden dabei gestern Risse in der Rechts-Koalition und auch innerhalb der CDU sichtbar. Eine Sondersitzung des FDP-Präsidiums zu diesem Thema war bei Redaktionsschluss noch nicht beendet.

CDU-Parteichef Dirk Fischer zündelte gestern mächtig. Er stellte sich unmissverständlich hinter den Gesetzentwurf der Innenbehörde. Deren Senator Ronald Schill habe damit, so Fischer, „einen geeigneten Beitrag zur effektiven Terrorismusbekämpfung geleistet“. Die vorgesehenen Verschärfungen hätten „die uneingeschränkte und kämpferische Unterstützung der Hamburger CDU“, tönte der Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete.

Zugleich versuchte Fischer „diejenigen“ zu beruhigen, die dem Entwurf „skeptisch“ gegenüberstehen: „Sie sind keinesfalls Ziel des neuen Gesetzes“, versicherte er. Mehr als fraglich, ob die Verbände sich damit zufrieden geben, die in den vergangenen Tagen kein gutes Haar an der Gesetzesnovelle gelassen haben. Die Evangelische und die Katholische Kirche der Hansestadt, Ärzte- und Anwaltskammer sowie Gewerkschaften hatten eindringlich vor der „Lizenz zum Lauschen“ gewarnt.

Nach den Vorstellungen der Innenbehörde soll der Hamburger Verfassungsschutz auch ohne konkreten Tatverdacht Menschen optisch und akustisch überwachen dürfen. Ausreichend für die Schnüffelei sollen „Erkenntnisse“ sein, dass jemand Kontakt zu einer möglicherweise verdächtigen Person haben könnte. Dafür sollen auch die Dienst- und Privaträume von Berufsgruppe überwacht werden dürfen, denen bislang eine Schweigepflicht oder ein Recht auf Zeugnisverweigerung zusteht: Ärzte, Seelsorger, Anwälte und auch Journalisten (taz berichtete mehrfach).

Während CDU-Chef Fischer all dem gestern seine Unterstützung zusagte, ging Fraktionschef Michael Freytag vorsichtig auf Distanz. „Wir werden eine einvernehmliche Lösung finden“, versicherte er gleich lautend mit seinen Kollegen Norbert Frühauf (Schill) und Burkhard Müller-Sönksen (FDP). Wie die aussehen könnte, blieb gleichwohl unklar. Man werde sich „nicht die Butter vom Brot nehmen lassen“, verlautete aus der FDP-Fraktion.

Nach Informationen der taz geht auch etlichen Unions-Abgeordneten Schills Vorlage „deutlich“ zu weit. Sie drängen massiv auf eine Entschärfung. Dazu aber muss ein Weg gefunden werden, der CDU-Bürgermeister Ole von Beust nicht beschädigt. Der hatte immerhin den Entwurf im Senat einstimmig passieren lassen und damit seinem Stellvertreter Schill Rückendeckung gegeben.

Wie stark sich aber die FDP von ihrem wiederentdeckten liberalen Gewissen beißen lässt, dürfte sich erst gestern Abend auf der Sitzung des Parteipräsidiums gezeigt haben. Ihr Senatsmitglied Rudolf Lange hatte dem Entwurf ebenfalls zugestimmt und war dafür jüngst öffentlich kritisiert worden. Selbst einen „Koalitionskrach“ wollten führende Liberale in Kauf nehmen.

Es knackt bei Schwarz-Schill – noch ist aber offen, wer am Ende nur mit den Zähnen knirschen wird. sven-michael veit