Neues Zentrum

Die neue Orgel der Waller Kirche ist ein überregional bedeutendes Instrument. Derzeit wird sie eingeweiht

Klar, dass es in einer Kirchengemeinde Ärger gibt, wenn eine Gemeindeschwester und ein Diakon zur selben Zeit entlassen werden, zu der der Neubau einer Orgel im Wert von ca. 225 000 Euro beschlossen wird. Schwer vermittelbar ist, dass diese beiden Dinge nichts miteinander zu tun haben, dass Stellenbesetzungen oder -entlassungen sich orientieren an der Anzahl der ,,Seelen“ in der Gemeinde, dass das für die Orgel aufgebrachte Geld in keiner Weise dafür hätte verwendet werden können. Aber monatelange Gespräche und insgesamt fast zehnjährige Überzeugungsarbeit haben letztendlich zu einem Ja zu dem Neubau der Orgel in der evangelischen Kirche in Walle geführt. Denn die alte Führer-Orgel war schlichtweg kaputt - was machen?

Der ehemalige Bauherr Hans Heiner Noack: ,,Es sind immer noch Wunden da. Aber wir hatten nur eine Chance für einen Neubau, wenn wir Sponsoren und Unterstützer haben wollten: nicht nullachtfünfzehn, sondern ein spezielles Konzept“. Und da waren einmal die Organist in Daniela Staiger-Ortgies, Absolventin der Akademie für Alte Musik in Bremen, die Berater Harald Vogel (Orgelakademie in Weener), Gebhard Kaiser (ehemaliger Organist von St. Ansgarii und Hochschule für Musik), Ibo Ortgies (Musikwissenschaftler und Orgelspezialist in Göteborg) und die Hochschule für Musik, die nach Besichtigung einer mitteltönigen Orgel in Göteborg (Schweden) entschieden haben: Das wollen wir. Regionale Grundlage war weiterhin d ie Tradition der berühmten norddeutschen Orgellandschaft, die mit ihren Arp Schnitger-Orgeln so einzigartig in der Welt dasteht.

Und so steht sie nun seit diesem Frühjahr, die mitteltönige Orgel der holländischen Orgelwerkstatt ,,Orgelmakerij van der Putten“. Mitteltönig, die Stimmung der Musik des 16. und des siebzehnten Jahrhundertes, meint, dass im Unterschied zur Einteilung der Oktave in 12 genau gleichgroße Schritte – was die leichte Unreinheit der Intervalle zur Folge hat – es besonders viele reine Durterzen gibt. Damit ist die Waller Kirche gewappnet für ein neues Zentrum an Konzert-, Unterrichts- und Forschungsmöglichkeiten. Nicht gewappnet ist sie damit für eine nun eigentlich fällige künstlerisch hochstehende A-Stelle (Staiger-Ortgies bekleidet lediglich eine C-Stelle, was in der Regel Nebenamtlichkeit heißt), denn die hängt nicht von der Qualität der Orgel ab, sondern wiederum von der Anzahl der ,,Seelen“.

Ein erstes Festival, das in seiner Komplexität schon zeigt, dass man mit diesem Instrument keinen musealen Selbstzweck pflegen will, findet in diesen Tagen statt: Als Festkonzert wählte man die Rekonstruktion eines 1607 gehaltenen Eröffnungsgottesdienstes der oktonal gebauten St. Gertrudenkapelle in Hamburg.

Eineinhalb Stunden voll von räumlicher Musik, chorische Achtstimmigkeit verschiedenster Literatur mit dem Höhepunkt eines achtstimmigen TeDeums von Hieronymus Praetorius: Viel Zeit wurde damals aufwendet, viel wurde aber auch geboten. Die Truppe um Staiger-Ortgies - das Vokalensemble DeCadenza und viele InstrumentalistInnen auf alten Instrumenten – konnte den alten Gottesdienst mit großer Spannung durchführen. Entscheidend darin Jörg Jacobi mit Orgelstücken, die die Stimmung, die Transparenz, die Klangschönheit und die Flexibilität der neuen Orgel auf wunderbare, eindrucksvolle Weise deutlich machte. Ute Schalz-Laurenze

nächste Konzerte: Samstag, 19. Oktober, 20 Uhr Konzert der Freiburger Gruppe ,,La beata olanda“. Sonntag, 20. Oktober, 10.30 Uhr Gottesdienst, um 18 Uhr das Abschlusskonzert der TeilnehmerInnern der Orgelkurse und um 20 Uhr ein Festbankett zum Abschluss des Festivals