Knatsch um Behindertenrechte

Behinderte wollen einen Behindertenbeauftragten und ein Landesgleichstellungsgesetz ohne Wenn und Aber: „Mit einem Finanzierungsvorbehalt ist das Gesetz das Papier nicht wert.“ Sozialsenatorin verwahrt sich gegen „unsachliche Vorwürfe“

Die Misstöne, die die monatelange Arbeit am Entwurf für ein Bremisches Landesgesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen begleitet haben, waren gestern nachmittag noch unüberhörbar. „Ich finde die unhöfliche und sachlich unrichtige Kritik des Arbeitskreises Bremer Protest ärgerlich“, eröffnete Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) als Schirmherrin des Bremer Behindertenparlaments am Nachmittag die Sondersitzung des Parlaments in der Bürgerschaft. Der Vorwurf, das Gesetzesvorhaben drohe „an der Ignoranz und Schwerfälligkeit weiter Teile der Verwaltung zu scheitern“, sei nicht angebracht, wies die Senatorin Äußerungen aus der Landesarbeitsgemeinschaft für Behinderte energisch zurück.

„Die Mitarbeiter meines Ressorts bemühten sich sehr, das Gesetz voranzubringen“, so Röpke. Obgleich dies langsamer geschehe als erwartet, hoffe sie, „dass wir möglichst noch in dieser Legislaturperiode ein gutes Gleichstellungsgesetz auf den Weg bringen.“ Dazu müssten nun unterschiedliche Interessen abgewogen werden.

Wenige Stunden zuvor hatte der Arbeitskreis Bremer Protest auf einer Pressekonferenz seine Interessen erläutert. Gleich eingangs war zwar der Vorwurf der „Ignoranz“ zurückgenommen worden. Auch sei die Zusammenarbeit mit dem Sozial- und dem Bauressort gut, wurde beschwichtigt. Doch gebe es Anlass zum Protest gegen den von der Verwaltung erstellten Gesetzentwurf. „Größter Juckepunkt“ sei der geplante Finanzierungsvorbehalt. Er hebele sämtliche Rechtsansprüche aus, die auf dem Weg der lobenswerterweise geplanten Verbandsklage durchsetzbar wären.

„Wenn beispielsweise die Rolli-Rampen an öffentlichen Gebäuden wegen Geldnot nicht gebaut werden, können wir das wegen des Finanzierungsvorbehalts vor keinem Gericht durchfechten“, erläuterte Joachim Steinbrück. So ließe sich das in der Landesverfassung garantierte Diskriminierungsverbot nicht durchsetzen. Der Entwurf sei das Papier nicht wert. Der blinde Richter war zwei Monate ins Sozialressort abgeordnet gewesen, um am Gesetz mitzuwirken. „Wir backen schon kleine Brötchen“, stellte er klar. Niemand fordere doch im armen Bremen kommunale Behindertenbeauftragte, wie andere Städte sie hätten. Aber ein hauptamtlicher, unabhängiger Landes-Behindertenbeauftragter müsse sein. „Ohne Wasser und Mehl gibt es gar keine Brötchen.“ Im Bundesvergleich stehe Bremen zudem schlecht da. Die meisten Länder hätten Behindertenbeauftragte, – wenn auch nicht immer als unabhängige Hauptamtliche.

Die Interessenvertreter der Behinderten drängen zudem zur Eile. Werde das Gesetz nicht vor der Wahl im Mai verabschiedet, drohe es in der neuen Legislaturperiode zur Hängepartie zu werden. „Wir wollen nicht länger Bittsteller sein“, benannte Wilhelm Winkelmeier die Ungeduld in den eigenen Reihen. ede