Unzulässig großzügig und anonym

Günter Rexrodt hat den „Verdacht“, dass sich Möllemann von „einem oder mehreren Großspendern“ finanzieren ließ, deren Beiträge gestückelt wurden

aus Berlin ULRIKE HERRMANN

Die FDP-Parteispitze hat dringenden Gesprächsbedarf. Gestern um 8.30 Uhr schickte sie einen Boten los – Adressat war Bundestagspräsident Thierse. Der ist zuständig für alle Verstöße gegen das Parteiengesetz, und eine „wesentliche Verletzung“ wollte FDP-Schatzmeister Günter Rexrodt nun melden.

Denn ein „Zwischenbericht“ seiner Wirtschaftsprüfer lässt es erahnen: Es ist höchst „mysteriös“, wie Jürgen W. Möllemann sein antiisraelisches Flugblatt finanziert hat. 8,5 Millionen Stück wurden davon kurz vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen verteilt. Oder waren es nur etwas mehr als 5 Millionen? Ganz genau wusste es Rexrodt gestern auch nicht. Fest steht immerhin: Möllemann hat am 20. September ein Wahlkampfsonderkonto auf seinen Namen bei der Lampebank in Luxemburg eröffnet. Dorthin wurden Spendengelder von insgesamt 840.000 Euro überwiesen. Diese Summe entspricht fast exakt jenen 838.000 Euro, die die Post für die Versendung der Flugblätter verlangte. „Die Koinzidenz der Beträge“ sei in der Tat erstaunlich, findet auch Rexrodt.

Die Post indes kam erst mit Verspätung an ihr Geld. Zuvor hatte sie versucht, die 838.000 Euro von jenem Konto einzuziehen, das auf dem Auftrag für die Wurfsendung angegeben war – erfolglos. Wie sich zeigte, gehörte das ungedeckte Konto zu Möllemanns Firma „Webtech“. Doch über diese obskure Firma wisse die FDP-Spitze nichts, so Rexrodt: „Ich lese auch nur Zeitung.“

Bizarr ist auch, wie die 840.000 Spendeneuro auf Möllemanns Sonderkonto in Luxemburg gelangten. Das Geld wurde von 14 Kreditinstituten überwiesen, die zumeist ihre Niederlassung in NRW haben. Nur zwei von ihnen sind in Hamburg und Berlin ansässig. Die 14 Banken wiederum hatten zuvor Verrechnungskonten eingerichtet, um die 145 Barspenden zu verbuchen, die bei ihnen zwischen dem 20. September und dem 11. Oktober eingegangen waren.

Barspenden sind übrigens gesetzlich begrenzt und dürfen nur bis zu 1.000 Euro betragen. Doch das ignorierten Möllemanns Spender. In 144 Fällen waren sie unzulässig großzügig und zahlten zwischen 1.000 und 8.000 Euro ein. Gern würde die FDP-Spitze daher das Geld zurückweisen, doch stieß man auf ein Problem: Zwar steht hinter jeder Spende ein Name – doch lassen sich keine Personen zuordnen. Rexrodt erläuterte das Problem am fiktiven Beispiel der „Margret Mustermann, Düsseldorf, 8.000 Euro“. Was tun, wenn es fünf Margret Mustermanns in Düsseldorf gebe? Nur bei 16 Beträgen habe sich der angebliche Spender eindeutig ermitteln lassen, 11 davon waren telefonisch zu erreichen. Aber die Gespräche seien „theaterreif“ gewesen, so Rexrodt. Außerordentlich wortstark hätten alle vermeintlichen Gönner bestritten, der FDP jemals Geld gespendet zu haben. Also resümierte Rexrodt gestern, dass Möllemanns Spenden als „anonym“ zu werten seien – und damit als „rechtswidrig“. Denn das Parteiengesetz erlaubt zwar anonyme Zuwendungen, aber sie dürfen 500 Euro nicht überschreiten.

Nicht nur Rexrodt kam gestern der „Verdacht“, dass sich Möllemann von „einem oder mehreren Großspendern“ finanzieren ließ, deren Beiträge dann gestückelt wurden. Denn Spenden ab 10.000 Euro müssen gesondert ausgewiesen werden, Beträge ab 50.000 Euro sind dem Bundestagspräsidenten sofort anzuzeigen. Wer diese Großspender sein könnten, über diese „Gerüchte“ wollte sich Rexrodt nicht auslassen. Er überließ es seinem Publikum, darüber nachzudenken, ob bei einem antiisraelischen Flugblatt deutscharabische Finanziers wahrscheinlich sein könnten. Allerdings teilte Rexrodt bereitwillig mit, dass alle angeblichen Spender „aus dem Inland“ seien und „Namen haben, die deutsch klingen“.

Sollten die Spenden tatsächlich gestückelt worden sein, dann wird es unangenehm für Möllemann. Die Spendenskandale von CDU und SPD haben erst kürzlich dafür gesorgt, dass das Parteiengesetz verschärft wurde. Wer stückelt, muss jetzt mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren rechnen.

Doch zur Zukunft von Möllemann wollte sich Rexrodt nicht äußern. Man sei in einer „Phase der Aufklärung“, „Erkenntnisse“ müssten sich noch „verdichten“. Außerdem habe man ihn noch nicht befragen können. Und Möllemann wird wohl noch mehrere Wochen schweigen, wie er in einem Brief an den „lieben Herrn Dr. Westerwelle“ wissen ließ. Die Ärzte hätten ihm „absolute Ruhe“ verordnet. „Deswegen kann, darf und werde ich mich in den nächsten Wochen nicht mit meinen wichtigen politischen Aufgaben beschäftigen.“

Aber liegt der Exparteivize wirklich tatenlos im Bett? Rexrodt glaubt jedenfalls, „dass hier irgendwer zurückschlägt“. So zumindest erklärt er sich, dass am Freitag eine „totale Ente“ in der Leipziger Volkszeitung erschien. Das Blatt hatte berichtet, dass die FDP-Fraktion 3 Millionen Euro an ihre liberalen Parteifreunde verliehen habe, um den Wahlkampf zu unterstützen. Das wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Parteiengesetz. Doch Rexrodt wiegelt ab: Es gebe zwar einen Kredit in dieser Höhe, aber der sei sechs Jahre alt und von der Berliner Parteizentrale finanziert worden. Im Übrigen erhalte die Fraktion dafür „sehr gute Zinsen“.

Inzwischen ist der Bote bei Thierse angekommen. Aber die Bundestagsverwaltung konnte nicht sagen, wann die FDP mit einer Antwort rechnen darf.