Im Kopf leider total kaputt

Nach dem 1:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern in einem niveaulosen Spiel lobt Bayer Leverkusens Trainer Klaus Toppmöller die destruktiven Qualitäten seines Teams und hofft auf gesündere Zeiten

aus Leverkusen ERIK EGGERS

Als sich die Pressegespräche allmählich dem Ende zuneigten, sprach Klaus Toppmöller endlich den finalen Satz, die Essenz aus diesem unverhofften Kellerduell. Wenn alle seine Spieler wieder auf der Höhe ihres Könnens seien, beschwor Toppmöller die Zukunft, „werden wir auch wieder guten Fußball spielen“.

Immerhin, Bayer Leverkusen hatte das Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern mit 1:0 gewonnen, obwohl man nach dem Platzverweis von Zivkovic fast eine Stunde lang nur mit zehn Mann auf dem Platz stand. Doch hielt dies den Coach des Siegers, so wie es in letzter Zeit seine Art ist, nicht von einem Klagelied ab. Es war das mittlerweile stereotyp wirkende Lamento Toppmöllers hinsichtlich des Krankenstandes. Es ist unbestritten, dass kein anderer Trainer der Eliteliga sich im ersten Viertel der Saison intensiver mit den Anamnesen seiner Kicker auseinander setzen musste. Und dennoch verdeckt diese Tatsache kaum, dass die gesunden, neu verpflichteten Spieler wie Bierofka und Simak bislang nicht integriert werden konnten in das zugegeben taktisch anspruchsvolle Kurzpassspiel des aktuellen Vizemeisters. Auch die Chuzpe, mit der Leverkusen letzte Saison große Mannschaften kompromittierte, sie ist verloren gegangen.

Keine Frage: Denjenigen, die er erstmals wieder einsetzen konnte (Placente, Sebescen, Juan), mangelte es nach acht Wochen Pause noch an der notwendigen Spritzigkeit. Speziell der Ausfall Bernd Schneiders wegen Magendarmgrippe traf die Mannschaft, Toppmöller zufolge, an ihrem spielerischen Nerv; tatsächlich war der einzig verbliebene so genannte Kreativspieler, Bastürk, nie in der Lage, das Spiel zu ordnen. Schneider hatte laut Toppmöller vor dem Spiel noch Infusionen verabreicht bekommen, um im Spiel gegen den Tabellensiebzehnten „für den Notfall“ und „wenigstens für die Standards“ in den letzten 20 Minuten eingewechselt werden zu können. Schließlich beweinte der Übungsleiter erneut die schwere Knieverletzung Jens Nowotnys, von dem er sich indes, da der Kapitän bald wieder ins Mannschaftstraining einsteigen wird, noch in diesem Jahr einige Einsätze erhofft.

Im Umkehrschluss bedeutete die Hoffnung auf gesündere Zeiten eine grausame Erkenntnis: Bayer Leverkusen ist derzeit nicht in der Lage, mit spielerischen Mitteln die Abwehr vermeintlich schwächerer Mannschaften zu filettieren; sie ist vielmehr angewiesen auf Zufallsprodukte wie am Samstag, als Brdaric den Ball nach Rettungsversuch von Lauterns Kapitän Hengen in das Tor grätschen konnte. Eines ist offensichtlich: Nach epischen Niederlagen wie dem 2:6 in Piräus konzentriert sich der Werks-Klub momentan nicht selten auf die Verbarrikadierung des eigenen Gehäuses, und trotz aller defensiven Bemühungen brauchte es selbst gegen ein äußerst schwaches Kaiserslautern eine gehörige Portion Glück.

So war Keeper Jörg Butt der einzige Leverkusener, der sich offenbar wohl fühlte an diesem Tag. Ließ er doch nicht einmal die ansonsten offensichtlichen Schwächen im Herauslaufen erkennen, und hielt, nachdem er fast 70 Minuten keinen Ball aufs Tor bekommen hatte, am Ende bei einigen Lauterer Großchancen die drei Punkte für Leverkusen fest. Nur ein mildes, viel sagendes Lächeln ließ Butt sich nachher von der Frage entlocken, ob mit diesem Spiel die Torwartdiskussion endgültig beendet sei. Ansonsten kommentierte er kühl wie immer sein Spiel: „Ich musste am Ende ein paar Bälle halten“, das sei letztlich auch sein Job, sagte er, seine Rettungstaten untertreibend. Und dann lobte er die Mannschaft dafür, „dass jeder für den anderen gerannt ist“ und sie hinten „sensationell gestanden“ habe.

Es ist bezeichnend, dass auch Toppmöller, dem der Ruf eines Fußballästheten vorauseilt, seine Mannschaft nach der niveaulosen Partie ausdrücklich für ihre Destruktivität und Zerstörungswut lobte. Sie habe, den Ernst der Lage begreifend, so der Trainer in bester Vogts’scher Fußball-Diktion, „die Räume sehr gut zugemacht“ und außerdem „großen Charakter und Einsatzwillen gezeigt“. Zusätzlich verteidigte er die spielerischen Mängel bei seinen Führungsspielern. Alle Nationalspieler, auch die bei den anderen deutschen Klubs, sind laut Toppmöller derzeit „im Kopf total kaputt“, man müsse daher nachsichtig mit ihnen umgehen, schließlich seien sie „ja auch nur Menschen“. Diese Erkenntnis überrascht nicht wirklich. Fußball-Roboter belegen ja nicht programmgemäß stets den zweiten Platz.

Bayer Leverkusen: Butt - Zivkovic, Lucio, Placente - Sebescen, Balitsch, Ramelow, Ojigwe, Bastürk (89. Simak) - Neuville (84. Juan), Brdaric (65. Bierofka) 1. FC Kaiserslautern: Georg Koch - Harry Koch (46. Bjelica), Hengen, Knavs - Timm (54. Dominguez), Teber (63. Lincoln), Basler, Riedl, Grammozis - Klose, Lokvenc Zuschauer: 22.500; Tor: 1:0 Brdaric (19.); Gelb-Rote Karte: Zivkovic (33.)