SPD tut ihre Pflicht

Mit 99,9 Prozent der Stimmen hat der SPD-Sonderparteitag den rot-grünen Koalitionsvertrag abgenickt. Kanzler verteilt Streicheleinheiten

BERLIN taz ■ Die SPD hat sich in entspannter, leicht gelangweilter Stimmung zweier Pflichtaufgaben erledigt. Auf einem Sonderparteitag am Sonntag in Berlin verabschiedete die disziplinierte sozialdemokratische Basis mit Honecker-Mehrheit von 99,9 Prozent den rot-grünen Koalitionsvertrag. Außerdem wählte sie den Hamburger Landesvorsitzenden Olaf Scholz zum neuen Generalsekretär der Partei.

Schon der Fahrplan des Parteitages ließ den Charakter der Veranstaltung erkennen. Ganze drei Stunden gönnte sich die SPD, um sich von ihrem Kanzler und Parteichef Gerhard Schröder das anzuhören, was sie ohnehin schon weiß, sich daran das Herz zu erwärmen, das Ganze dann ein bisschen zu diskutieren und am Ende die Koalitionsvereinbarung durchzuwinken. Für den historischen, leicht pathetischen Grundton des Parteitags sorgte SPD-Vize Wolfgang Thierse bereits mit seiner Eröffnungsrede. „Aus der rot-grünen Episode“, sagte er, „kann und soll eine Epoche werden.“ Um nichts Geringeres als epochale Ereignisse ging es dann auch in Schröders Rede – um die „historische Qualität“ des sozialdemokratischen Wahlsiegs und dessen Konsequenzen.

Dabei präsentierte ein immer noch erschöpft wirkender Kanzler die wichtigsten Versatzstücke seiner Wahlkampfauftritte: Die SPD repräsentiert die Mitte der Gesellschaft, sie sorgt für soziale Gerechtigkeit und fühlt sich neuerdings auch für Kinder und Familien zuständig. Nach dem Wahlsieg klingt das bei Schröder jetzt so: „Wir sind die Partei der strukturellen Mehrheitsfähigkeit. Dieses Land ist ein für alle Mal kein CDU-Staat mehr.“ Der Kanzler deklinierte die Konsequenzen daraus vor allem an drei Themen durch: am Haushalt, an der Familienpolitik und am Erbe der PDS. Die Sparpolitik der rot-grünen Regierung stellte Schröder unter das Motto einer „konjunkturgerechten Konsolidierung“. Die neue rot-grüne Familienpolitik bezeichnete der Kanzler als die „einschneidendste Entwicklung unserer Gesellschaft“. Und in der „fortschreitenden Selbstauflösung“ der PDS sah er sogar die „wahrhaft historische Chance“, die schmerzliche Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung zu überwinden. Er forderte die fortschrittlichen Kräfte in der PDS auf, nicht in die innere Emigration zu gehen.„Wer sich zu unseren Grundwerten bekennt“, sagte Schröder, „der findet eine neue Heimat in der SPD.“

Der SPD-Chef ließ keinen Zweifel daran, dass seine Partei angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage vier schwere Jahre in der Regierung vor sich hat. Vielleicht verteilte er deswegen ungewöhnlich viele Streicheleinheiten: an Finanzminister Hans Eichel („er braucht unser aller Unterstützung“), an Ost-Hero Manfred Stolpe, an Olaf Scholz und sogar an den geschassten Kampa-Chef Matthias Machnig. Nach diesem Extralob des Kanzlers und einem kurzen Parteitag traten sie die schnelle Heimreise an. JENS KÖNIG