geläufig Muss man sterben

„An der Front kann man sterben, als Deserteur muss man sterben.“ Diesen martialischen Satz schrieb Adolf Hitler bereits 1923 in „Mein Kampf“. Die in puncto Desertion eh sehr strenge Wehrmacht wurde unter Hitlers Befehl eine einzige Trutzburg gegen „Wehrkraftzersetzung“, und Deserteure wurden selbst in den ersten Tagen des Mai 1945 noch standrechtlich erschossen, obschon auch die militärischen Führer im Reich wussten, dass der Krieg nicht mehr lange dauern würde. Bis heute sind Kriegsdienstgegner, Deserteure und Befehlsverweigerer, die echte Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz waren, nicht vollständig rehabilitiert, und noch immer gelten sie als Outlaws und dürfen bei Ehrenbezeugungen der heutigen, sich gern ihrer Demokratisierung rühmenden Bundeswehr abseits stehen, denn sie sind ja keine Vorbilder, sondern sollten sich schämen. Auch die Rot-grüne Regierung hat sich nur zögerlich diesem Thema zugewandt, und die Befürchtung vieler heute noch lebender „Werkkraftzersetzer“, die durch Glück oder Flucht ihre Verweigerung, für die Nazis zu morden, überlebt haben, dass man tatsächlich warte, bis sie alle verstorben seien, ist nicht abwegig. Heute wird Gerhard Paul über das Schicksal dieser Leute reden, die zwar keine organisierten Widerstandskämpfer waren und die oft auch erst nach Jahren begreifen wollten, in wessen Diensten sie da standen. Ihr Schicksal bleibt so gründlich verdrängt, weil es zeigt, dass es Leute gab, die „was gewusst haben“ und daraus moralische Konsequenzen zu ziehen bereit waren. SUN

Martin-Gropius-Bau, 18 Uhr