Nur der Spaß zählt

Die Triathletin Nina Kraft, Zweite beim Ironman in Hawaii, mag sich den Zwängen des Profitums nicht beugen

KAILUA KONA taz ■ Martin Malleier freut sich, wenn seine Freundin krank wird. Zweimal war Nina Kraft in diesem Jahr krank. Das erste Mal im Juni, danach gewann sie den Langdistanztriathlon in Roth. Das zweite Mal im September. Nicht lange danach wurde sie beim wichtigsten und härtesten Triathlon der Welt, dem Ironman auf Hawaii, am vergangenen Samstag Zweite. Das war die beste Platzierung, auf die jemals eine deutsche Athletin bei dem traditionsreichen Rennen kam.

Martin Malleier ist nicht nur Nina Krafts Lebensgefährte, sondern auch ihr Trainer. Aber weil er diesen Job nicht autoritär auslegt, lässt er Nina Kraft gewähren, wenn sie unvernünftig ist. Und das ist sie oft. Wenn sie mit Martin und mit ihrem Bruder, der ebenfalls am Hawaii-Ironman teilnahm, Rad fährt beispielsweise, und die drei sich zu Geschwindigkeiten anstacheln, die Krafts Vorbereitung nicht eben gut tun. Zum Glück gibt ihr Körper aber klare Signale, wenn sie es übertreibt. „Es war gut für sie, dass sie krank war“, so der Innsbrucker Malleier. „Das hat sie gebremst. Sie hätte sonst viel zu viel gemacht.“

Die Trainingssteuerung per Infekt ist eigentlich keine angemessene Form des Arbeitens für eine, die sich seit ihrem dritten Platz auf Hawaii im vergangenen Jahr in der absoluten Weltspitze festgesetzt hat. Aber irgendwie hat man den Eindruck, dass Nina Kraft auch gar nicht Vollprofi im herkömmlichen Sinn sein will. Für den Sport und vom Sport leben – ja. Aber sich Zwängen unterwerfen wie Sponsorenterminen, Medienanfragen, die sie nicht mag, oder Trainingsplänen, die ihr keinen Spaß machen – niemals.

Nach ihrem dritten Platz im letzten Jahr bekam sie beispielsweise ihren ersten sportbranchenfremden Sponsorenvertrag angeboten – im Triathlon noch immer eine Rarität. Jede andere hätte sich nach einem solchen Vertrag die Finger geleckt, doch Nina Kraft zackerte so lange herum, bis die Auflagen ihren Vorstellungen entsprachen. „Ich lasse mir von außen keinen Druck machen.“

Die 33-jährige Braunschweigerin, die bis vor drei Jahren technische Zeichnerin war, möchte sperrig bleiben. „Wenn ich irgendetwas sagen oder tun müsste, was mir nicht entspricht, würde ich aufhören.“ Deshalb ist sie auch gar nicht so böse darüber, dass die ganz große Öffentlichkeit mit Frauentriathlon hierzulande nicht herzustellen, das große Geld damit nicht zu verdienen ist. Wenn sich Kolleginnen in ihrer Leistungsklasse aufführen wie Stars, findet sie das deshalb auch albern: „Ich komme mit den ganz normalen Amateuren viel besser zurecht als mit den anderen Profis.“

Dazu passt, dass sie es ablehnt, über die Bedeutung von Erfolgen und Siegen nachzudenken. Dass sie die beste deutsche Triathletin aller Zeiten ist, dass der nächste logische Schritt ihrer Karriere der Hawaii-Sieg wäre, über so etwas mag sie nicht sinnieren. „Ich will für mich gute Rennen machen“, sagt sie. Triathlon ist für sie in erster Linie ein Kampf mit und gegen sich selbst, nicht ein Rennen gegen andere um Ruhm und Ehre. Diesen Kampf mag sie, deswegen mag sie auch Hawaii: „Hawaii ist härter als andere Rennen, deshalb komme ich gerne hierher.“ Wie im Training treibt sie sich auch im Wettkampf gerne an ihre Grenze und manchmal noch weiter. Aber es muss klar sein, das sie es selbst ist, die das tut, und niemand anderes.

Mit dieser Philosophie ist sie der nunmehr viermaligen Hawaii-Siegerin Natasha Badman nahe, die sagt: „Ich kenne keine Gegnerinnen, nur Mit-Sportlerinnen.“ Viele halten das für Koketterie und für idealistische Verklärung eines knallharten Geschäfts. Insbesondere die Männer. Cameron Brown, Dritter der beiden vergangenen Jahre: „Das ist ein knallhartes Rennen Mann gegen Mann, bei dem viel auf dem Spiel steht.“ Nina Kraft und Natasha Badman spazierten hingegen, mit Blumenkränzen behangen, Arm in Arm von der Ziellinie hinunter an den Strand, wo die Massagebänke aufgebaut waren. Ein schönes Bild, so süß wie der Orchideenduft, der über die Insel weht, unter der die Lava brodelt. SEBASTIAN MOLL