Klare Verhältnisse in Montenegro

Präsident Milo Djukanović gewinnt bei vorgezogenen Parlamentswahlen die absolute Mehrheit. Damit ist das EU-Projekt eines Staatenbundes mit Serbien für die nächsten drei Jahre unter Dach und Fach. Doch Ziel ist letztendlich die Unabhängigkeit

aus Podgorica ANDREJ IVANJI

Wieder einmal hat es der junge Präsident Montenegros, Milo Djukanović, geschafft: Nach einer zweijährigen Regierungskrise hat seine „Liste für ein europäisches Montenegro“ bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag die absolute Mehrheit gewonnen. „Niemand kann uns mehr erpressen!“, erklärte Djukanović, als die vorläufigen Endergebnisse bekannt wurden. Man werde sich nicht länger mit Minderheitsregierungen und wechelnden Koalitionspartnern „abquälen“ und „kostbare Zeit“ verlieren müssen. Endlich könne die Regierung ihren friedlichen Kurs der „allmählichen Loslösung aus dem Staatsbund mit Serbien“, der Annäherung an Europa und der Wirtschaftsreformen ungehindert fortsetzen.

Die Anhänger des Präsidenten feierten nach der Wahlnacht auf den Straßen der Hauptstadt Podgorica: Man jubelte, sang montenegrinische patriotische Lieder und ballerte vor Freude stundenlang aus allen möglichen Feuerwaffen in die Luft – die verhaßten politischen Feinde von der projugoslawischen „Koalition für Veränderungen“ waren haushoch geschlagen.

Mit 39 von insgesamt 75 Mandaten im Parlament kann Djukanović nun endlich ungehindert regieren. Zusätzlich kann er noch auf die Unterstützung von zwei albanischen Abgeordneten rechnen. Djukanović wird den Vertretern der albanischen Parteien Posten in der neuen Regierung anbieten, obwohl er es formal nicht nötig hätte.

Auf der anderen Seite hat die projugoslawische „Koalition für Veränderungen“ 30 und der mit ihr im „Kampf gegen die Diktatur Djukanović“ verbündete Liberale Bund (LSCG), der sich für die Unabhängigkeit Montenegros einsetzt, vier Mandate gewonnen. Die Wahlbeteiligung von über 80 Prozent, meinen Kommentatoren, zeugt von der „leidenschaftlichen Feindseligkeit“ zwischen den beiden Blöcken.

Die Ursache für den überzeugenden Sieg Djukanović’ ist im „unnatürlichen“ Bündnis der einst mit Slobodan Milošević verbündeten Anhänger der jugoslawischen Föderation und des „sezessionistischen“ LSCG zu suchen, der wegen des „Pakts mit dem Teufel“ fast fünfzig Prozent seiner Wähler verloren hat. Deren Kampagne, die Djukanović als einen „Mafia-Boss“ bloßstellen wollte, konnte die Bürger nicht überzeugen. Die traditionellen Wähler des LSCG haben für den Präsidenten gestimmt, weil sie in ihm die letzte Chance für die Selbstständigkeit Montenegros sehen.

Die Wahlergebnisse zeigen, dass den Montenegrinern die Selbstständigkeit anscheinend wichtiger ist als die Angst vor der Armut. Zwar ist das Leben nach der Wende in Serbien besser als in Montenegro, auch droht aus Belgrad keine Gefahr mehr. Und obwohl die EU sich entschieden gegen die Unabhängigkeit geäußert hat, wächst im Volk die Unterstützung für das Projekt der staatlichen Souveränität, das Djukanović verkörpert.

Er hat sich zwar mit seiner Unterschrift auf dem durch die EU ultimativ vermittelten Belgrader Abkommen über einen Staatenbund zwischen Serbien und Montenegro verpflichtet, in den nächsten drei Jahren die Unabhängigkeitsfrage nicht zu eröffnen. Doch er weiß, daß der lose Bund wenig Überlebenschancen hat: Montenegro hat eine eigene Währung, selbstständigen Zoll, ein eigenes Rechts- und Schulwesen; zwischen Serbien und Montenegro gibt es nicht einmal freien Handel; in Serbien selbst ist man von der „abartigen“ Föderation immer weniger begeistert. Djukanović wird der EU nicht trotzen. Er wird einfach abwarten, bis ihm die Unabhängigkeit wie eine reife Pflaume in den Schoß fällt.