angelika schulz über Klasse 10b
: Mein Leben im Jahr 2000

Bericht vom großen Umschwung in der Weltgeschichte: Ein Schulaufsatz aus Potsdam, 1967 geschrieben

Die Kalenderuhr zeigt heute den 3. Mai des Jahres 2000. In der Weltgeschichte haben wir einen großen Umschwung erlebt. In Westdeutschland hatte der Sozialismus gesiegt. Durch die friedlichen Verhandlungen der DDR mit der Kommunistischen Partei Westdeutschlands wurden die Bürger Westdeutschlands mehr von der richtigen Ideologie von Marx, Engels und Lenin überzeugt. Somit wurde die Kommunistische Partei die führende Partei. Die Arbeiter streikten. Die Monopolherren sahen, dass ihr Ende gekommen ist. Sie wollten in die Vereinigten Staaten fliehen. Das gelang ihnen aber nicht. Die Monopolherren wurden abgeschafft. Die westdeutschen Arbeiter hatten es zuerst sehr schwierig.

Die meisten Kohlegruben mussten erneuert werden, denn man konnte sich nicht nur auf Erdöl konzentrieren. Kohle wurde ebenfalls noch gebraucht. Mit Hilfe der DDR aber wurde ein einheitliches und friedliches Deutschland geschaffen. Das hatten wir aber schon über ein Jahrzehnt hinter uns.

Die Sowjetunion ist, seit der Kosmonaut Grigori Klementew auf dem Mond weich gelandet ist, mit dem Bau einer großen Station zur weiteren Erforschung des Weltalls beschäftigt. Deutschlands Entwicklung in der Verkehrsindustrie ist auch schon so weit, dass wir Raketen und Luftkissenautos selbst herstellen. Die so genannte Eisenbahn wurde völlig abgeschafft. Flugzeugbahnen mit einer ungeheuren Schnelligkeit transportieren Erdöl, Erdgas und andere Produkte in das In- und Ausland.

Ich bin nun schon 49 Jahre alt. Meinen größten Teil des Lebens habe ich schon hinter mir. Mit 50 Jahren ist man heute leider schon Rentner, aber ich fühle mich ganz und gar nicht zum „alten Eisen“ gehörig. Ich arbeite immer noch als technische Zeichnerin in einem großen Werk, wo die ganzen Grundlagen zur modernen Etagenbauweise geschaffen werden.

Mein Mann arbeitet in einem astronautischen Zeichenstudio, wo er Raketen und andere Weltraumfahrzeuge konstruiert. Er ist zwei Jahre älter als ich. Kennen gelernt habe ich ihn mit zwanzig Jahren. Nach Beendigung der Fachschule und des Fernstudiums kam unser erstes Kind zur Welt. Es war ein Junge, wie ich es mir gewünscht habe. Er heißt Thomas. Zurzeit ist er verheiratet und hat auch schon einen Sohn. Meine Tochter Jenny ist zwanzig Jahre alt und hat gerade ihr Studium beendet. Sie ist Spezialistin für Roboter und lebt zurzeit in der Sowjetunion. Als Auszeichnung bekam sie mal einen Roboter geschenkt. Er steht bei uns im Flur und kann einem den Mantel ausziehen und den Hut abnehmen. Er heißt Max und ist unser ganzer Stolz.

Wir wohnen in Berlin in der Grigori-Klementew-Allee, der damaligen Karl-Marx-Allee, im 50. Stock des Wolkenkratzers Nr. 160. Unsere Wohnung versuchten wir modern und bequem einzurichten, und ich glaube, es ist uns gelungen. Wir haben eine Küche, Bad, Wohnzimmer und Schlafzimmer. Die Türen sind automatisch zu verschließen und zu öffnen. Die Schränke sind unsichtbar in den Wänden eingebaut. Wir haben eine Farbfernsehtruhe aus Japan, ein Fernsehtelefon, automatische Wasch- und Spülmaschinen, warmes und kaltes Wasser, eine elektrische Fernheizung.

Beim Frühstück hören wir uns die neuesten Informationen im Radio an. Zu unserem Erstaunen können wir erfahren, dass in der Nacht wieder eine Rakete mit einer bemannten Besatzung auf der Venus gelandet ist. Es ist 8.30 Uhr, und mein Mann und ich müssen zur Arbeit aufbrechen. Am Werktor wartet schon Margitta. Wir sind uns seit unserer Schulzeit treu geblieben. Wir unterstützen uns gemeinsam bei unserer täglichen Arbeit.

Es ist 15 Uhr, und Margitta und ich verlassen das Werk. Es ist vielleicht verwunderlich, wie kurz die Arbeitszeit ist. Nämlich die 1967 auf dem 7. Parteitag beschlossene Arbeitszeit ist von 5 Tagen auf 4 Tage und täglich 6 Stunden gefallen. Wir beide beschließen noch einen kleinen Bummel durch die Stadt. Am Selbstbedienungsparkplatz nehmen wir uns ein Taxi und fahren ins Zentrum. Wir gehen, nachdem wir die Einkäufe erledigt haben, noch in die Mokkabar „Zur Goldenen Rakete“. Mein Mann ist schon daheim und erwartet mich. Er beschäftigt sich gerade mit einem neu herausgegebenen Buch. Die Freizeit verbringen wir meistens zu Hause beim Lesen und beim Studium oder fahren mal in die UdSSR zu Jenny. Auch vergessen wir dabei nicht unsere lieben Eltern, die in Potsdam in einem neuen, modernen Altersheim wohnen. Nach dem Abendbrot sehen wir uns noch eine schöne Sendung an und gehen dann bald zu Bett, denn wir müssen morgen wieder frisch ausgeruht an unsere Arbeit gehen, die uns viel Neues und Interessantes bietet.

Fragen zu Klasse 10 b?kolumne@taz.de