Eine Frage des politischen Willens

In Kabul würde sich für die Bundeswehr mit Übernahme der Führung der internationalen Friedenstruppe wenig ändern

KABUL taz ■ Mangelndes Selbstvertrauen scheint eines der kleineren Probleme des deutschen Kontingents der Internationalen Sicherheitstruppe (Isaf) in Kabul zu sein. Trotz konkreter Hinweise auf an diesem Tag geplante Anschläge, die zur Umleitung der Bundeswehrflüge zum nahe gelegenen US-Stützpunkt Bagram führen, nehmen die deutschen Isaf-Soldaten Journalisten mit auf Patrouille durch Kabul. Alles verläuft ruhig. Immer noch winken viele Menschen, vor allem Kinder, den Soldaten zu. „Manchmal ist es fast schon unangenehm, wie beliebt die Deutschen bei den Afghanen sind“, bemerkt Presseoffizier Oberstleutant Paul Weber.

Seit Verteidigungsminister Peter Struck auf der Nato-Tagung Ende September in Warschau erklärte, Deutschland könne ab Ende des Jahres mit den Niederländern die Isaf-Führung übernehmen, richtet sich der Blick wieder auf die deutschen Soldaten in Kabul. Hat die Bundeswehr dazu überhaupt die Ausrüstung? Die Frage stellt sich für Presseoffizier Weber nicht. „Wenn Sie vergleichen, was die Amerikaner für Ausrüstung in Bagram haben und wir hier, dann brauchen wir uns nicht zu verstecken“, sagt er. „Außerdem würde sich durch die deutsche Führungsrolle für unsere Soldaten gar nichts ändern.“ Seit Mitte März hat die Bundeswehr ohnehin das taktische Kommando der Friedenstruppe.

Nach dem Gejammer in Deutschland, wie sehr die Bundeswehr inzwischen kleingespart sei, erstaunen solche Töne. Aber es gibt für das deutsche Kontingent in Kabul keinen Grund zur Leisetreterei. Mit rund 1.200 Soldaten – davon über 30 Frauen – stellt Deutschland zusammen mit der Türkei die meisten Soldaten für Isaf, ist außerdem die größte Nation in der Kabul Multinational Brigade, dem Isaf-Herzstück mit Soldaten aus fast 20 Nationen, und jetzt für die Sicherheit im Zentrum und Osten Kabuls veranwortlich.

Ändern würde sich nichts, wenn der Stab des deutsch-niederländischen Korps Ende Dezember die Isaf-Führung übernähme. Dass gerade dieses in Münster stationierte Korps dafür vorgesehen ist, liegt an der besonderen Führungsstruktur der Bundeswehr, in der einige Nachbarländer in die Korpsstäbe eingebunden sind. Deutschland würde trotz binationalen Stabes aber alleinige Isaf-Führungsnation werden und müsste deshalb auch Personal und Ausrüstung für die zusätzlichen Aufgaben bereitstellen. In der zweiten Oktoberwoche untersuchte ein Bundeswehrteam in Kabul, was zur Isaf-Führung nötig ist. Dazu müsste das deutsch-niederländische Korps den Isaf-Führungsstab stellen und wäre für Kabuls Flughafen zuständig. Dazu gehören Bewachung, Flugsicherung, Wetterdienst und Feuerwehr und im Notfall die Verantwortung, alle westlichen Ausländer zu evakuieren. Dafür müssten im usbekischen Termes statt der jetzt 150 deutschen Soldaten 200 stationiert werden und acht statt sechs Transportflugzeuge.

Offizier Weber hält das nur für eine Frage des politischen Willens und nicht der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr. Schweres Gerät wie Panzer und Hubschrauber sowie Nahrungsmittel und Ersatzteile werden ohnehin von ukrainischen und russischen Firmen eingeflogen, weil die Bundeswehr gar keine so großen Flugzeuge hat. Die US-Truppen arbeiten gut mit Isaf zusammen und stellen Satellitenaufnahmen zur Verfügung. Der Offizier eines europäischen Nachbarlandes, dessen Soldaten neben den deutschen campieren, sagt: „Also, wenn Sie sehen, was die alles dabei haben, dann wissen Sie, dass die noch länger bleiben wollen.“ Laut Weber dürfte Afghanistan wohl auch nach 18 Monaten noch internationale Soldaten brauchen. PETER BÖHM