Gericht watscht Kommissar Monti

Und wieder hat die EU-Wettbewerbskommission schlecht gearbeitet: EU-Gericht hebt wegen Fehlern und Widersprüchen das Fusionsverbot für die Elektronikkonzerne Schneider und Legrand auf. Chef Monti muss jetzt neu entscheiden

aus Freiburg CHRISTIAN RATH

Zum zweiten Mal innerhalb von vier Monaten musste EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti in Luxemburg eine Schlappe hinnehmen. Das Europäische Gericht erster Instanz (EuG) hat gestern erneut ein Fusionsverbot der EU-Kommission aufgehoben. Diesmal ging es um den Zusammenschluss der beiden französischen Unternehmen Schneider und Legrand zum weltgrößten Elektronikkonzern.

Die von EU-Kommissar Monti im Oktober vorigen Jahres gestoppte Fusion hätte ein Unternehmen mit 90.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 12,4 Milliarden Euro entstehen lassen. Doch die Kommission befürchtete, dass der neue Riese so mächtig wäre, dass die Großhändler von Elektrogeräten mangels Marktalternativen erpressbar würden.

Mit sehr deutlichen Worten hat das EuG dieses Fusionsverbot nun beanstandet. Die Entscheidung der Kommission enthalte „offensichtliche Fehler, Auslassungen und Widersprüche“. So habe sie ignoriert, dass Schneider eher im Norden Europas und Legrand mehr im Süden aktiv war. Außerdem wurden die Marktanteile der beiden Hauptkonkurrenten Siemens und ABB zu niedrig eingeschätzt. Befürchtungen für den globalen Wettbewerb habe die Kommission nicht wirklich nachgewiesen, sondern nur die Zahlen für den französischen Markt hochgerechnet. Und schließlich, so die Richter, habe die Kommission die beiden Unternehmen im Fusionskontrollverfahren unfair behandelt. Denn sie stützte das Fusionsverbot auf andere Bedenken, als den Firmen zuvor mitgeteilt wurden.

Schneider und Legrand können eine neue Entscheidung der Kommission beantragen. Eigentlich hatte Schneider seine 98-prozentige Beteiligung an Legrand bereits an eine franko-amerikanische Investorengruppe verkauft. Für den Fall eines Erfolgs in Luxemburg vereinbarten sie jedoch ein Rücktrittsrecht.

Im Juni dieses Jahres hatte das EuG erstmals ein Fusionsverbot der Kommission für nichtig erklärt. Damals ging es um den Zusammenschluss der beiden englischen Touristikunternehmen First Choice und Airtours. Intern war daraufhin bei der Kommission eine Kontrollkommission zur Qualitätssicherung eingerichtet worden. „Fehler, wie sie uns bei Airtours unterlaufen sind, dürfen nicht wieder vorkommen“, sagte damals Montis Ex-Generaldirektor Alexander Schaub. Auf ein mögliches Rechtsmittel hat Monti verzichtet.

Mit dem erneuten Rüffel aus Luxemburg wird Montis Position als souveräner Wettbewerbskontrolleur und Marktöffner weiter geschwächt. Und schon am kommenden Freitag droht neuer Ärger. Dann wollen die EU-Richter über ein Fusionsverbot in der Verpackungsbranche – es geht um die Firmen Tetra Laval und Sidel – entscheiden. Wann das Gericht sich mit dem Fall der beiden US-Unternehmen Honeywell und General Electric befassen will, ist unklar.

Seit 1990 hat die EU-Kommission rund 2.000 Unternehmenszusammenschlüsse geprüft und dabei 18 Fusionen gestoppt. Fusionen müssen in Brüssel genehmigt werden, wenn der addierte Umsatz beider Firmen weltweit über 5 Milliarden Euro liegt und jeder der Partner innerhalb der EU-Grenzen mehr als 250 Millionen Umsatz macht.