Schröder gewählt, Brotpreise steigen

Wirtschaftsweise sagen Minimalwachstum voraus. Ver.di fordert über 3 Prozent mehr Lohn. Umfrage: Schröder hat uns betrogen. Rau wünscht dem Kanzler „viel Glück und Gottes Segen“

BERLIN taz ■ Gerhard Schröder (SPD) ist gestern für weitere vier Jahre im Amt des Bundeskanzlers bestätigt worden. 305 Abgeordnete stimmten in geheimer Wahl für ihn. Da die rot-grüne Mehrheit jedoch über 306 Abgeordnete im Bundestag verfügt, hat mindestens ein Koalitionär Schröder die Zustimmung verweigert. Anschließend ist Schröder von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) vereidigt worden. Den Eid auf die Verfassung leistete Schröder wie bereits vor vier Jahren ohne religiöse Beteuerung.

Deutschland droht unterdessen in diesem Jahr das niedrigste Wirtschaftswachstum seit neun Jahren. Die sechs führenden Wirtschaftsinstitute, die so genannten Wirtschaftsweisen, prognostizieren in ihrem Herbstgutachten einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um nur noch 0,4 Prozent. Auch für das kommende Jahr erwarten die Institute ein Wachstum von nur 1,4 Prozent. In ihrem Frühjahrsgutachten hatten die Wirtschaftsforscher noch 0,9 Prozent für 2002 und 2,4 Prozent für 2003 vorhergesagt. Im kommenden Jahr werde zudem die Zahl der Arbeitslosen auf 4,1 Millionen steigen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin bewertet die Konjunkturlage für 2003 deutlich negativer als die Mehrheit der Institute: Mit einem Wirtschaftswachstum von nur 0,9 Prozent rechnet das DIW wegen der von Rot-Grün geplanten Steuererhöhungen.

Zudem werden Brot und Brötchen teurer. Das haben gestern die handwerklichen Bäcker in Hamburg und die Großbäckereien in Düsseldorf bekannt gegeben. Die Bäckerbranche führt die Preiserhöhung auf die steigende Kostenbelastung durch höhere Energie- und Personalkosten zurück. Auch die Getreidepreise seien gestiegen.

Die Gewerkschaft Ver.di hat gestern in Bremen eine Erhöhung der Löhne für die 2,9 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von mehr als 3 Prozent gefordert.

Eine Mehrheit der Deutschen schließlich wirft der rot-grünen Regierung Wahlbetrug vor. 56 Prozent der Befragten einer gestern veröffentlichten Forsa-Umfrage fühlten sich dadurch betrogen, dass die Regierung erst nach der Wahl Haushaltslücken eingestanden und Pläne für Steuererhöhungen präsentiert hat. Außerdem bezweifelten 49 Prozent, dass die rot-grüne Koalition den notwendigen Reform-Elan entwickeln werde, um die Wirtschaft und die Sozialsystem wieder flott zu machen.

Bundespräsident Johannes Rau überreichte Schröder nach dessen Wahl die Ernennungsurkunde und wünschte dem Kanzler für sein Amt „viel Glück, Geschick, eine gute Hand und Gottes Segen“. THILO KNOTT

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