Sätze wie Eiszapfen

Mit „Tropfen auf heiße Steine“ eröffnete das 5. Festival Politik im Freien Theater am Dienstag auf hohem Niveau

Haymon (Haymon Maria Buttinger), älterer Handelsvertreter, hat den Mittdreißiger Mario (Mario Mentrup) in der Sauna aufgegabelt. Er findet ihn sexy, wegen seiner schönen Beine und braunen Augen. Mario zieht bei Haymon ein. Lässt sich aushalten. Seine Funktion: Betthupferl und Hausfrau. Sein Dasein: langweilig. Haymon hat das Geld, fährt Mercedes, kommt rum. Sein Lebensmotiv: Machtgier.

Schon bald nimmt das Zusammenleben grausame Züge an. Außer Sperma tauschen die Partner nichts aus. Dabei reden sie viel. Aber es sind nur abwechselnde Monologe, Sätze wie Eiszapfen. „Ich habe jemanden umgebracht“, bringt Haymon monoton hervor. Darauf Mario: „Aha.“ Bloß keine Gefühle zeigen, so der Subtext aller Gespräche. Das vergiftet die Atmosphäre, zeigt die Aussichtslosigkeit eines sich selbst hemmenden Daseins.

Monotone Gespräche sind ein Markenzeichen von Fassbinder-Filmen. Dieses Mittel haben die RegisseurInnen Harriet Maria und Peter Meining in ihre Inszenierung von Tropfen auf heiße Steine eingebaut und damit voll den Nerv des Frühwerks Rainer Werner Fassbinders getroffen. Der Autor sagte einmal: „Liebe existiert nicht, es gibt nur die Möglichkeit der Liebe.“ In diesem Sinne lassen die beiden RegisseurInnen ihre Figuren scheitern.

Pascale (Pascale Schiller) will eigentlich nur Kinder von ihrem Ex Mario, sagt aber „Ich liebe dich“. So will es die Konvention. Pascale steht dabei zwergengleich vor einer riesigen Leinwand. Marios Gesicht erscheint darauf als überdimensioniertes filmisches Porträt. Die Ästhetik des Wechsels zwischen Bühnenspiel und Filmszenen eröffnet einmal mehr die Scheinwelt, in der die Figuren funktionieren.

Gegenpol zu diesem künstlichen Raum ist Haymons weißer Schäferhund. Nur ihn kann Mario streicheln, ohne aggressiv zu werden. Das Tier wandert auf der Bühne herum, wie es ihm beliebt, stromert auch mal durchs Publikum. Es ist einfach nur da, doch nicht nur dekorativ. Es ist ein Lichtpunkt in der zerstörten Beziehungslandschaft.

Zwischen den Szenen singen Sarah Marrs und Rob Taylor larmoyante Songs. Taylor, im Ken-Look, bekennt, Gewichte stemmen zu können, aber unfähig zu sein, eine Person emotional zu halten. Marrs dunkle Brombeerstimme verspricht Trost und prophezeit gleichzeitig Kälte. Der Sound – Elektro von der Berliner Band Tarwater – hätte passender nicht sein können, um Fassbinders 70er Jahre Stück ins Jetzt zu beamen. Katrin Jäger