Fake-Folk-Brüder

Bulgarische Jodler und mittelalterliche Klostergesänge: Die Avantgarde-Folk-Band „Troissoeur“ war im Sendesaal

Sie heissen zwar „Dreischwester“, sind aber vier junge Herren aus Belgien. Immerhin sind mit Edwin (Violine), Joris (Bass) und Rein (Akkordeon & Gitarre) Vanvinckenroye drei von ihnen Brüder, die einst ihr Haar lang und offen trugen und ihre Band nach ihrem Spitznamen benannten. Das wollen sie aber gar nicht so deutlich gesagt haben, denn die Band liebt es, in Rätseln zu sprechen und zu spielen.

Ein Song wurde mit dem Paradoxon „auf Improvisation basierend“ angekündigt, gesungen wird in einer Fantasiesprache (“Wig prestano in badoe taskatom“) und was sie da genau machen, ist äußerst schwer einzuordnen.

Am ehesten kann man es noch eine imaginierte Volksmusik nennen. Die drei Brüder spielen, fideln und singen eine sehr rhythmusbetonte, bäuerlich wirkende Musik. Oft wird man an Tänze aus dem Balkan, bulgarische Jodler oder mittelalterliche Klostergesänge erinnert, aber diese Elemente werden so spielerisch zitiert, dass man die Einflüsse nie einfach benennen könnte.

Eine Weile lang ist dieses Konzept für sich schon spannend genug, aber sobald man den Ton im Ohr hat, merkt man, dass die einzelnen Stücke sich nicht genug voneinander unterscheiden, um einen ganzen Konzertabend zu tragen. Das müssen die drei sehr gut aufeinander eingespielten Brüder auch bald selber gemerkt haben, und deshalb holten sie sich mit dem Gitarristen Pieter Thys einen personifizierten Kontrapunkt mit in die Band.

Thys setzte beim von „Sparkasse in Concert“ veranstalteten Auftritt am Dienstagabend im Sendesaal von Radio Bremen die instrumentalen Höhepunkte. Durch ihn wurde die Musik viel jazziger und verspielter, er entpuppte sich als Soundtüftler, der zum Beispiel auf der mit dem Bottleneck gespielten Gitarre Gesangspassagen so gut nachahmen konnte, dass man einige Zeit auf der Bühne den Sänger suchte, bis man Thys auf die Schliche kam.

Pieter Thys ist der Joker der Band, durch ihn blieb das Konzert immer spannend. Mal benutzte er seine doppelhälsige Gitarre als Schlaginstrument, mal haute er mit amerikanischen Countrytönen in die so hundertprozentig europäisch klingende Pastorale der drei belgischen Fake-Folk-Brüder.

Und dann war da noch Satori Takeishi, ein japanischer Perkussionist, der auf dem Boden sitzend der Musik auf einem Sammelsurium von Schlagwerkzeugen den nötigen Swing gab. Außerdem hatte Takeishi einen Computer dabei, mit dem er Sounds in zwei- und dreifacher Dopplung beisteuerte. Dadurch wurden die Arrangements noch komplexer, die Einflüsse noch globaler, die Volksmusik-Anleihen noch virtueller.

Wilfried Hippen