DER ENTWURF DER USA FÜR EINE IRAKRESOLUTION IST KEIN KOMPROMISS
: Wetter kontra Diplomatie

Der Entwurf ist zwar noch nicht offiziell in den Sicherheitsrat eingebracht – und es ist ungewiss, ob es je dazu kommt. Was US-Präsident Bush erreichen wollte, ist ihm aber bereits gelungen. Sechs Wochen lang hat die US-Regierung mit den anderen ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates verhandelt und damit dem Rest der Welt, vor allem aber auch den Kritikern im Kongress und in der amerikanischen Öffentlichkeit demonstrieren können, dass sie die Vereinten Nationen nicht für vollends überflüssig halten.

Jetzt liegt ein Resolutionsentwurf vor, der von einer kaum zu überbietenden Dreistigkeit zeugt. Denn der vermeintliche Kompromiss besteht allein darin, dass die Klausel „mit allen notwendigen Mitteln“ durch „ernsthafte Konsequenzen“ ersetzt wurde. Was unter dieser Formulierung zu verstehen ist, ließ das Weiße Haus schon verbreiten, als der Text überhaupt noch nicht veröffentlich war: die Ermächtigung der USA zum Angriff. Die US-Strategie ist geschickt: Durch ihre Initiative zwingt die Bush-Regierung Frankreich und Russland dazu, entweder den USA einen Blankoscheck für den Angriff auszustellen oder aber als stur und handlungsunfähig dazustehen.

Aus Sicht der US-Regierung gab es zu dem Risiko einer durch das schnelle Vorpreschen verursachten Isolation keine Alternative. Denn weitere sechs Wochen kann sie nicht warten. Nicht wegen einer unmittelbaren Gefahr aus dem Irak – selbst der Geheimdienst CIA sieht die nicht. Die Eile Washingtons ist meteorologisch bedingt: Wenn die Bush-Regierung nicht bis zum kommenden Februar mit einem Angriff beginnt, dann wird es fast unmöglich, den Krieg noch zu führen. Im Sommer sind die Temperaturen am Golf zu hoch und die Wolkendecken zu dicht. Wartet Bush aber noch ein ganzes Jahr, fiele der Krieg schon in den Präsidentschaftswahlkampf, und die Zustimmung in den USA für die Militäraktion kann bis dahin kippen.

Bush musste deshalb im Sicherheitsrat aufs Ganze gehen. Die Vorbereitungen auf den Krieg gegen den Irak genießen Priorität. Die Diplomatie hat dem zu dienen. ERIC CHAUVISTRÉ