Luftschlacht über Deutschland

von SUSANNE KLINGNER

Am Sonntag beginnt der neue Winterflugplan, und dann werden sich neue Fluggesellschaften im Himmel über Deutschland drängeln. Sie locken mit derart niedrigen Preisen, dass am Freitagabend die Entscheidung nicht „Beim Italiener oder beim Inder essen?“ lautet, sondern „Italiener um die Ecke oder gleich ein Wochenende nach Rom?“ Doch nicht nur ins Ausland wird das Fleigen immer billiger. Auch innerdeutsche Flugstrecken werden vermehrt mit Dumpingpreisen beworben und machen der Bahn und dem Auto Konkurrenz. Vor allem weil viele Bahnkunden auf das kürzlich präsentierte neue Preissystem der Deutschen Bahn AG mit Trotz reagieren und sich sagen: „Dann fliege ich eben.“

Der Tourismuskonzern TUI trat gestern als neuester Konkurrent in den Ring und stellte seine Billiglinie Hapag Lloyd Express vor. Ab 3. Dezember will sie zwei innerdeutsche und fünf europäische Städte bedienen, in Deutschland fliegt sie neben Berlin nach Hamburg. Hier kostet ein Flug, online gebucht, 19,99 Euro inklusive Steuern und Gebühren. Im Reisebüro ist ein Aufpreis von 7,50 Euro pro Strecke fällig. Allerdings: Die Ticketpreise steigen, je näher man dem Abflugdatum rückt. Wer kurzfristig bucht, zahlt etwa so viel wie Lufthansa Economy.

Als zweite deutsche Billiglinie fliegt ab kommenden Sonntag Germanwings ab Köln/Bonn nach Berlin und neun weiteren europäischen Metropolen. Jedes Flugticket ist ab 29 Euro zu haben.

Wer spät bucht, zahlt mehr

Dann haben die Kölner Richtung Berlin die Auswahl zwischen 4 verschiedenen Anbietern: Neben Hapag Lloyd Express und Germanwings fliegen auch die Deutsche BA und die Lufthansa in die Hauptstadt. Allerdings wird sich Lufthansa früher oder später aus dieser Strecke zurückziehen, wenn sich für Germanwings großer Erfolg abzeichnet; denn momentan hält Lufthansa 24,9 Prozent der Anteile an Germanwings und hat eine Option auf bis zu 49 Prozent.

Die beiden deutschen „No Frills“-Airlines, also Fluggesellschaften ohne Schnickschnack, machen den etablierten Anbietern aus dem Ausland Konkurrenz. Die irische Ryanair und die britischen EasyJet oder Buzz sind schon seit 2000 auf dem deutschen Markt. EasyJet ist seit der Übernahme der Deutschen BA und Go die Nummer eins der europäischen Billigflieger. Ryanair liegt an zweiter Stelle, startet aber nur von kleinen Flughäfen.

Die Billig-Airlines erzielen trotz ihrer Dumpingpreise Gewinne. Das ist möglich, weil nicht alle Tickets zum Spottpreis verschleudert werden. Die Preise, die auf Reklameplakaten um Kunden buhlen, gelten nur für kleine Kontingente an Sitzplätzen. Doch weil es mehr Nachfrage als Plätze gibt, bleibt kein Platz leer. Während die freien Plätze bei etablierten Fluglinien null Euro in die Kasse spülen, kommen bei einem billigen Platz immerhin ein paar Euro rein.

Außerdem sparen die Low-Cost-Airlines nicht nur beim Essen an Bord oder der Kundenbetreuung. Hier bucht man per Telefon oder noch besser übers Internet. Denn wird ein Ticket über ein Reisebüro gebucht, kostet das die Airline allein schon 10 Euro, per Internet liegen die Kosten bei gerade mal 1 Euro. In den Fliegern gibt es keine Klassen und einige Sitzreihen mehr, die aufs Jahr umgerechnet einige Millionen bringen, so Ryanair. Laut Angaben der Firma fertigt eine Ryanair-Angestellte rund sechsmal so viele Passagiere ab wie eine der Lufthansa.

Trotzdem müsste ein Ticket für einen 700-Kilometer-Flug bei rund 70 Euro liegen, damit es Gewinn bringt, hat die Boston Consulting Group (BCG) Deutschland errechnet. „Doch man muss unterscheiden zwischen Billig-billig-Airlines und normalen Billig-Airlines“, sagt Martin Koehler, Geschäftsführer der BCG. „Für Billig-billig-Flieger ist Ryanair der Prototyp. Anders, als deren Chef Michael O’Leary gern behauptet, sind die jedoch keine Konkurrenz zur Lufthansa.“ Ryanair hätten ganz klar eine andere Klientel im Visier: Die Flieger starten von Nebenflughäfen mit geringen Gebühren. So würden kaum Geschäftsreisende, die Hauptzielgruppe der etablierten Linien, erreicht. Und siebzig Prozent der Ryanair-Passagiere sitzen auch laut Studie der BCG nur im Flieger, weil es so billig ist. Gäbe es das Angebot nicht, wären sie gar nicht geflogen. „Außerdem bedient Ryanair Ziele, zu denen Geschäftsleute nicht wollen. Es geht vorrangig um Freizeittrips nach Italien oder woandershin“, sagt Koehler. Ryanairs einzige innerdeutsche Strecke ist Hahn–Berlin. Billig-Airlines wie EasyJet oder in Zukunft Hapag Lloyd Express und Germanwings würden dagegen auch Geschäftskunden ansprechen, weil sie vom Großflughafen Köln/Bonn starten und deutsche und europäische Metropolen ansteuern.

Doch so unaufhaltsam, wie der Angriff der Billigflieger auf die Etablierten scheint, so schnell wird auch wieder aussortiert. Martin Koehler gibt dem deutschen Markt nicht mehr als drei bis fünf Jahre, „dann gibt es vielleicht noch zwei Billigflieger, die sich durchgesetzt haben. Das ist wie mit Aldi. Es kann nicht unendlich viele Discounter geben. Für mehr ist kein Platz.“

Ein Problem für die Anbieter sind vor allem die Flughäfen. Einige rüsten zwar auf, um die steigende Passagierzahlen der Billigflieger zu bewältigen. Doch die Kapazitäten der Flughäfen sind begrenzt. Schon jetzt sind die meisten Startplätze, die so genannten Slots, belegt. Köln/Bonn ist der einzige deutsche Flughafen, der noch richtig viel Platz für mehr Maschinen hat.

Branchenkenner gehen von einem jährlichen Wachstum in der Flugbranche von 5 Prozent in den nächsten Jahren aus, Billig-Airlines könnten ihren Anteil am Markt auf bis zu 30 Prozent steigern. „Das heißt, dass sich insgesamt die Anzahl der Flugkunden bis 2030 verfünffachen wird im Vergleich zu den Zahlen von 1990“, errechnet Burkhard Huckestein vom Umweltbundesamt (UBA). Mehr Flugzeuge verursachen mehr Lärm und mehr Dreck, und das in Höhen, in die Abgase von der Erde nicht so schnell aufsteigen. Der Frankfurter Flughafen reagiert darauf mit emissionsbezogenen Start-und-Lande-Gebühren. Wer viel Dreck und Lärm macht, muss mehr zahlen.

Die Bahn blitzte ab

Ob das etwas hilft? Eine von BBC Online veröffentlichte Studie des britischen Institute of Public Policy Research weckt Zweifel: Durch die Dumpingpreise würden immer mehr Menschen motiviert, öfter in den Flieger zu steigen. Bei steigendem Flugverkehr und immer größeren Flugzeugflotten sei der Preis, den die Umwelt dafür zahlen muss, sehr hoch, so der Report über die „Nachhaltigkeit des Fliegens“. Die Forscher kritisieren besonders, dass Kerosin immer noch steuerfrei ist. Damit fehle jeglicher Anreiz, den Verbrauch zu senken.

Auch Huckestein hofft auf eine Änderung dieser Steuerlücke. Er weiß aber auch, dass Regelungen, die die versteckte Subventionierung des Flugverkehrs aufheben, nicht von der deutschen Regierung allein geändert werden können: „Wenn in Deutschland über eine Emissionsabgabe oder die Kerosinbesteuerung diskutiert wird, liegt die Entscheidung immer noch bei der EU. Und die muss ihre Entschlüsse einstimmig fällen.“ Internationale Flüge sind von der Mehrwertsteuer befreit, auch wenn ein Teil der Strecke über Deutschland liegt. Die Bahn dagegen muss ihr Diesel voll besteuern und für Strom Ökosteuer zahlen. Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sieht sich damit klar im Nachteil und hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen diese Regelung eingereicht, blitzte damit aber ab. Die Kommission hatte Angst, dass kerosinbesteuerte europäische Fluggesellschaften dann mit ihren Preisen nicht mehr mit der internationalen Konkurrenz mithalten könnten.