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: Partei ohne Glanz

Vor kurzem gab es einen Kopf in der CDU, der die Partei programmatisch aufmöbeln wollte. Der die Familienpolitik nicht als Verteidigung einer Vorortidylle heterosexueller Ehepaare samt ebensolcher Gartenzwerge sah. Der den Umweltschutz nicht nur als politische Begrünungsmaßnahme für den Autobahnausbau verstand. Der den Verbraucherschutz als Frage der inneren Sicherheit definierte. Der Kopf, dem die kühnen Ideen entsprangen, gehörte Angela Merkel. Hat sie ihn an der Garderobe abgegeben, als sie gestern mit der Unionsfraktion zur Wahl der fachpolitischen Sprecher und Fraktionsvizes schritt?

Kommentar von PATRIK SCHWARZ

Merkels Ideen nach der zweiten Wahlniederlage ihrer Partei seit 1998 waren nicht Selbstzweck, sie sollten einem Ziel dienen: der Rückeroberung einer Wählerschaft, die jünger, städtischer und weiblicher ist als die Union. Gestern hat sich Angela Merkel von ihren Ideen wie von ihrem Ziel wieder verabschiedet. In der langen Liste, die die Partei- und Fraktionschefin ihren Abgeordneten zur Zustimmung vorlegte, stand gerade für die Zukunftsbereiche kein Name, der programmatischen Aufbruch verbürgt.

Beispiel Umweltpolitik: Der Fraktionsvize Klaus Lippold und der Sprecher Peter Paziorek erhaschten während der Flutkatastrophe einen Lichtstrahl öffentlicher Aufmerksamkeit – als Beleg dafür, dass grüne Themen in der Union nur Hinterbänkler interessieren. Beispiel Familienpolitik: Die ostdeutsche ledige Mutter Katherina Reiche, deren Berufung Stoibers Verbeugung vor der Wirklichkeit war, wurde ins Forschungsressort abgeschoben; dafür haben jetzt zwei Veteraninnen der Mutti-Bataillone das familienpolitische Sagen.

Natürlich muss eine Fraktionsvorsitzende austarieren, muss regionale Begehrlichkeiten und Machtverhältnisse berücksichtigen. Dennoch sind die Personalempfehlungen das Feld, auf dem eine Oppositionsführerin zeigen kann, ob sie ihren politischen Anliegen zum Durchbruch verhelfen will. Merkel war also entweder zu schwach, um mit ihren Ideen ernst genommen zu werden – oder sie nimmt diese Ideen selbst nicht ernst.

Vieles spricht dafür, dass der Doppelvorsitzenden erneut die Machtsicherung wichtiger war als die Erneuerung der Union. Statt mit klugen Köpfen den Aufbruch zu wagen, bediente sie lieber die organisierten Eifersüchteleien ihrer Kollegen – und mag hoffen, dass ihr eigener Stern vor so viel Einheitsgrau umso heller strahlt. Die Union bringt sie damit nicht zum Glänzen.

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