berliner szene Bewerben im Callcenter

Das große Telefon

Sinnvollerweise erhält man die Einladung zu einer Callcenter-Bewerberrunde per Telefon. Dabei kann man schon mal hören, wie flink und freundlich ein richtiger Callcenter-Agent arbeitet. Drei Tage später sitzen neun Bewerber in einem Konferenzraum, vor ihnen steht ein zu groß geratenes Bürotelefon. Jeder soll sich vorstellen. Eine Grafikdesignerin fängt an. Während sie redet, beobachtet sie das Telefon.

Fast alle sagen, dass sie gerne telefonieren. Der Lebenslauf eines Hotelkaufmannes klingt geradezu ausgefeilt. Er hat sein Leben dem Service gewidmet. Ein Diplombiologe will beruflich telefonieren, damit seine private Telekom-Rechnung kleiner wird. Die Bewerberinnen mit Callcenter-Erfahrung haben volltönende Stimmen und die allerbeste Laune. Ein junger Mann aus Ulm erzählt, dass er seine Lehre abgebrochen hat. Was ihn an dem Job besonders reize? Er sucht Arbeit. Wie viele Stunden er arbeiten möchte? So viel wie möglich, gerne auch weniger. Hauptsache überhaupt.

Sehr freundlich sind die zwei Frauen, die das Gespräch leiten. Sie stellen das Callcenter vor, das im zehnten Stock eines Bürogebäudes liegt. Alle loben die schöne Aussicht. Jeder darf sagen, was ihm besonders wichtig ist an seinem Arbeitsplatz. – Die Freude an der Arbeit, was sonst. Nur eine Frage steht noch aus. „Sieben Euro siebzig brutto in der Stunde, kein bezahlter Urlaub. Keine Angst, unbezahlt freinehmen dürfen Sie natürlich.“ Später unterhalten die Bewerber sich noch vor dem Gebäude. Der Hotelkaufmann hat bereits den Nettolohn berechnet. Von 30 Stunden in der Woche kann er leben, sagt er. Der in Aussicht gestellte Vertrag garantiert ein Minimum von zehn Stunden im Monat. Trotzdem fängt er wie alle anderen am Montag an. KIRSTEN JENTZSCH